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Keine Zeit zum Streiken

24. November 2009

Viele Bonner Studenten halten nichts von Hörsaal-Blockaden. Aktiv protestieren nur noch wenige, obwohl sie den Streik an sich gut finden. Aber das Studium geht vor.

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Studierende der Universität Bonn (Foto: Frank Luerweg)
Studierende der Universität BonnBild: Frank Luerweg

Hörsaal 10 in der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, rechts neben der Eingangstür leuchtet ein Schriftzug "Besetzt". Aber damit ist gemeint, dass der Saal für eine Unterrichtsveranstaltung belegt ist und hier gleich eine Philosophievorlesung stattfindet.

Bis zum Morgen noch hatte eine Handvoll protestierender Studenten im Hörsaal übernachtet. Dann haben die jungen Leute den Raum freigemacht. Die ganz heiße Phase der Streiks scheint hier erst einmal vorbei zu sein.

Protest contra Anwesenheitspflicht

Viele Studenten würden sich gern stärker engagieren, wären da nicht die Zwänge ihres Stundenplans: "Letzte Woche Dienstag, als der Hörsaal erstmalig besetzt wurde, war ich noch mit dabei, seitdem nicht mehr", erzählt ein Student der Geschichte und Philosophie. "Es ist schon sehr voll hier und man hat nicht sehr viel Zeit - weder für Streiks noch für etwas anderes. Das ist der Grund, weshalb ich mich seit letztem Dienstag nicht mehr groß beteiligt habe. Weil ich dafür zu sehr die einzelnen Veranstaltungen vernachlässigen müsste."

Bei einer Politikstudentin klingt das ähnlich: "Ich selbst habe nicht an den Streiks teilgenommen, wegen der Anwesenheitspflicht und weil man sich ins eigene Fleisch schneidet, wenn man öfter fehlt und dann zu den Klausuren nicht zugelassen wird."

"Bei uns gibt es einen festgelegten Stundenplan. Wir haben nicht die Freiheit, eine Veranstaltung zwei, drei Mal ausfallen zu lassen. Dann kriegen wir unsere Scheine nicht", erzählt ein Erstsemester-Studenten mit den Fächern Geschichte und Archäologie. "Ich hätte mich gern beteiligt und ich komm mir auch ein bisschen blöd vor, wenn ich jetzt immer artig zur Uni gehe."

Hörsaal besetzen - ist das der richtige Weg?

Ob Protestaktionen überhaupt sinnvoll sind, in deren Folge Lehrveranstaltungen ausfallen, das bezweifelt so mancher Student. Auch von Streiks betroffene Professoren wären ja selbst direkt weder für konkrete Missstände verantwortlich, noch könnten sie direkt etwas daran ändern. Man müsse andere Wege finden, als einen Hörsaal zu besetzen. Natürlich setze man damit ein Zeichen, aber ob das der richtige Weg sei?

Streikende Studenten in Leipzig (Foto: AP)
In Leipzig streiken die Studenten nochBild: AP

Doch auch wenn über das "Wie" diskutiert wird, in einem sind sich die Studenten einig: Die Proteste haben etwas bewirkt, das Thema sei in der Bevölkerung angekommen. Allerdings reagierten die Politik und die Universitätsleitungen nur langsam und würden sich gegenseitig die Schuld zuschieben.

Reform-Skeptiker

Ausgesprochene "Bologna"-Fans findet man nicht so leicht unter den Bonner Studenten. Die Bachelor-Studiengänge seien nicht nur zu vollgestopft, um Zeit zu haben, demonstrieren zu gehen. Auch für das Geldverdienen nebenbei bleibe den meisten keine Zeit.

"Ich könnte nicht nebenbei arbeiten gehen, um mir das Studium zu finanzieren, was beim Großteil der Studenten aber einfach ein Muss ist, um die Studiengebühren finanzieren zu können," erzählt eine Politikstudentin. Ihre Kommilitonin geht an zwei Tagen in der Woche arbeiten, aber auch nur sehr kurz: "Halt abends, mehr ist nicht drin. Das ist nur ein Taschengeld. Wir müssen alle einen Kredit aufnehmen."

Wo geht das Geld eigentlich hin?

Eingeführt wurden Studiengebühren mit zwei Versprechungen: Das Geld sollte den Universitäten zusätzlich zur Verfügung stehen. Und die Studenten sollten als zahlende Kunden einen Anspruch darauf haben, die Verwendung ihrer Gebühren auch zu kontrollieren und notfalls einzufordern.

Manchem kommt die ganze Sache bislang ziemlich zweifelhaft vor, so auch einer Studentin der Lebensmitteltechnik: "Letztlich haben wir Mikroskope benutzt und der Dozent wies darauf hin, dass die von den Studiengebühren angeschafft wurden. Aber die benutze ich dann nur zwei Mal."

Auch eine Geschichtsstudentin ist unzufrieden: "Mir fällt auf, dass sehr wenig Bücher neu gekauft werden, und dass keine Reparaturen erfolgen. Unsere Bücherei ist immer noch in demselben alten Zustand wie vor drei Jahren, als ich hier angefangen habe. Das ist sehr enttäuschend. Ich meine, das sind immerhin über 700 Euro, die ich bezahle, und ich sehe nichts von dem Geld."

Autor: Michael Gessat

Redaktion: Kay-Alexander Scholz