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Keine Zukunft für Siedlung in Nachterstedt

21. Juli 2009

Die Bewohner der geräumten Häuser an der Abbruchkante am Concordia-See in Nachterstedt müssen diese vermutlich endgültig aufgeben. Die Gefahr neuer Erdrutsche sei zu groß, warnte die zuständige Bergbaubehörde.

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Auch diese Häuser drohen in die Tiefe zu stürzen (Foto: AP)
Auch diese Häuser drohen in die Tiefe zu stürzenBild: AP
Ein Schild mit der Aufschrift 'Warum' (Foto: AP)
Ein Schild mit der Aufschrift "Warum" zeigt: Viele Anwohner hadern mit dem SchicksalBild: AP

Es sei sehr unwahrscheinlich, dass die Anwohner in die acht evakuierten Häuser zurück könnten, sagte Gerhard Jost von der Bergbaubehörde des Landes Sachsen-Anhalt am Dienstag (21.07.2009) in Nachterstedt. Es werde wohl Monate dauern, bis das Gebiet am Corcordia-See zur Ruhe gekommen sei. Jost berichtete, es seien "leichte, neue Risse aufgetreten, bis 30 Meter hinter der Bruchkante".

In den kommenden Tagen müsse immer wieder mit Abbrüchen gerechnet werden. Da die Böschung derzeit mit einem Neigungswinkel von 70 Grad steil abfalle, sei in Kürze mit einer Abflachung der Böschung zu rechnen. Dabei werde sich die Bruchkante weiter ins Hinterland verlagern und die dortigen Gebäude wahrscheinlich in Mitleidenschaft ziehen.

Rätselraten über Ursache für Erdrutsch

Die Ursache des Unglücks ist nach wie vor auch für Experten ein Rätsel. "Es gibt eine Vielzahl von Spekulationen, aber es sind eben Spekulationen", sagte Jost. So wird vermutet, dass das Unglück mit dem früheren Braunkohle-Tagebau in der Region zusammenhängt.

Der Ort der Katastrophe in Nachterstedt (Foto: AP)
Der Ort der Katastrophe in NachterstedtBild: AP

Bei dem Unglück waren am Samstag drei Menschen, die mit ihrem Haus in die Tiefe gerissen wurden, ums Leben gekommen. Auch die Hälfte eines Mehrfamilienhauses rutschte mit rund zwei Millionen Kubikmetern Erdmassen weg. Die Erde brach auf eine Länge von mehreren hundert Metern weg. Die Einsatzkräfte hatten die Suche nach den Vermissten am Montag eingestellt, weil es keine Chance gab, sie unter den Schlamm- und Geröllmassen zu orten und zu bergen. Der See soll bis auf weiteres gesperrt bleiben, weil im Falle neuer Erdrutsche Flutwellen befürchtet werden.

Kontaktbüro für rasche Hilfe

Uwe Steinhuber, Sprecher der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (Foto: AP)
Uwe Steinhuber, Sprecher der LMBV, sagt schnelle Hilfe zuBild: AP

Die etwa 40 Bewohner der evakuierten Häuser können sich ab sofort an ein Kontaktbüro wenden. Die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV), die für die Flutung des Tagebausees zuständig ist, bekräftigte am Dienstag, dass es schnelle und unbürokratische Hilfe für die Bevölkerung geben werde. Darauf habe man sich mit dem Land Sachsen-Anhalt verständigt, sagte LMBV-Sprecher Uwe Steinhuber. Im Rathaus seien erste Bargeldbeträge an die Betroffenen ausgezahlt worden, ergänzte ein Mitarbeiter. Zudem wurde eine Entschädigung nach Bergschadensrecht in Aussicht gestellt.

Mit Hilfe des Kontaktbüros sollen die Obdachlosen, die bei Bekannten und in Ferienwohnungen untergekommen sind, schnell wieder eine langfristige Bleibe bekommen. Der Landrat des Salzlandkreises, Ulrich Gerstner, berichtete: "Wir haben ein größeres Angebot an leeren Wohnungen. Die Betroffenen haben eine große Auswahl."

Sorgenfalten im Rheinland

Der Erdrutsch von Nachterstedt sorgt derweil in einem anderen großen deutschen Braunkohle-Abbaugebiet, dem Rheinland, für Unruhe und Vorsichtsmaßnahmen. Wenn die Ursachen des Unglücks gefunden seien, müssten diese in die Planungen für den Tagebausee Garzweiler einfließen, sagte der Bürgermeister der Stadt Erkelenz, Peter Jansen. Das hatte vorher auch schon die Stadt Düren gefordert. Erkelenz gehört zu den Tagebaugegnern. Sie verliert durch den geplanten See Garzweiler ein Drittel ihres Stadtgebietes.

Die Bergaufsicht in Nordrhein-Westfalen stellte eine intensive Auswertung der Erkenntnisse aus Sachsen-Anhalt in Aussicht. Erst wenn die Experten die genaue Ursache für das Unglück hätten, könne man die Frage beantworten, inwieweit so ein Böschungsrutschen auch in nordrhein-westfälischen Tagebauen möglich sei, erklärte ein Sprecher des Düsseldorfer Wirtschaftsministeriums. Eventuelle neue Erkenntnisse würden bei allen Planungen der Landschaftsgestaltung berücksichtigt, um die Sicherheit der Menschen im Umfeld verfüllter und gefluteter Tagebaurestlöcher zu gewährleisten.

Der Braunkohletagebau Garzweiler II westlich von Köln (Foto: AP)
Auch hier macht man sich Sorgen - Blick auf den Braunkohletagebau Garzweiler II westlich von KölnBild: AP

Nach den bisherigen Erkenntnissen der Fachleute seien die geologischen und hydrogeologischen Verhältnisse in Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen allerdings sehr unterschiedlich, hieß es. Im Gegensatz zum Rheinischen Braunkohlenrevier gelten insbesondere die verkippten Abraummassen in den ostdeutschen Revieren teils als extrem fließgefährdet, was hohe Anforderungen an die Böschungsgestaltung stelle. (kle/je/dpa/afp/ap)