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Keiner will mehr zurück

20. November 2009

Die Diskussion um die Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach sorgt weiter für politischen Zündstoff. Aus Schlesien Vertriebene in Thomasberg kümmert der Streit wenig. Sie haben sich schon lange neu organisiert.

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Haus Schlesien von außen (Foto: DW)
Haus Schlesien - neue Heimat der VertriebenenBild: DW

"Haus Schlesien" steht in großen Lettern auf dem ockergelb gestrichenen ehemaligen herrschaftlichen Hof aus dem 17. Jahrhundert. Im Vorgarten steht eine Büste. Sie zeigt den Schriftsteller Gerhard Hauptmann, einen der wohl bekanntesten Schlesier. Das Denkmal wurde einst von Arno Breker geschaffen, einem Künstler, der zu seinen Zeiten dem Nationalsozialismus nahe stand.

Rein äußerlich scheint damit alles zusammenzupassen und Vorbehalte und Vorurteile zu bestätigen, als hätten sich die seit 1973 in dem Haus residierenden vertriebenen Schlesier eine Trutzburg zur Wahrung ihres Revanchismus geschaffen. Aber der Eindruck täuscht. Es sind die Menschen, die mit ihrer Herzlichkeit und Offenheit das Andenken an ihre Heimat wahren wollen - jenseits politischer Positionen und Diskussionen um Gedenkstätten und Grenzverläufe. Von einer dauerhaften Rückkehr in ihre Heimat wollen sie erst recht nichts wissen.

Felicitas Rinke, eine der ehrenamtlichen Helferinnen (Foto: DW)
Felicitas Rinke (rechts) hilft in der BibliothekBild: DW

In der holzvertäfelten Bibliothek mit Bücherregalen vom Boden bis zur Decke arbeitet seit vielen Jahren Felicitas Rinke. Ehrenamtlich betreut die 77-Jährige zusammen mit weiteren fleißigen Helfern die umfangreiche Sammlung von Büchern und Dokumenten über die Geschichte Schlesiens. Angesprochen auf ihre Gedanken zu dem Thema "Gebietsansprüche" blitzen ihre Augen auf. Sie habe zu keinem Zeitpunkt Rückkehrgedanken, erklärt sie. Natürlich hänge sie sehr an ihrer Heimat, dies alles sei aber Vergangenheit. Ihre Arbeit im Haus Schlesien sei auf die Zukunft ausgerichtet. Es gehe um Informationsweitergabe an die nächsten Generationen. Deshalb freue sie sich auf die vielen Begegnungen mit jungen Menschen, um sie über die Kultur und die Geschichte Schlesiens zu informieren.

Ein Haus der Begegnung und Freundschaft

Der Verein, der das Haus Schlesien betreibt, pflegt seit vielen Jahren eine umfangreiche Zusammenarbeit mit wichtigen polnischen Institutionen. "Wir verschanzen uns nicht in ewig gestrigen Deutschtümeleien. Wir wollen die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Polen und Deutschen fördern", stellt Reinhard Blaschke klar. Der 75-Jährige ist seit zehn Jahren Präsident des Vereins "Haus Schlesien". Stolz ist er auf die Ehrenbürgerschaft seiner Heimatstadt Jauer/Jawor. "Die Ehrenbürgerschaft als einzigem Deutschen dort habe ich erhalten, weil ich, im Gegensatz zu all jenen, die sagen, nach Polen fahr' ich nicht mehr, das Gespräch mit den Menschen dort gesucht habe. Viele Freundschaften seien so entstanden, schwärmt Blaschke.

Reinhard Blaschke, Präsident des Vereins "Haus Schlesien" (Foto: DW)
Reinhard Blaschke, Präsident des Vereins "Haus Schlesien"Bild: DW

Die Vertriebenen setzen weiter auf die Organisation von Kulturveranstaltungen und auf regelmäßigen Jugendaustausch.

Auch in diesen Tagen wohnt in den Gästezimmern des Hauses eine Gruppe junger Germanistik Studenten aus Tschenstochau/Czestochowa, um sich mit der Geschichte über Flucht und Vertreibung direkt mit Zeitzeugen auseinander zu setzen.

In Polen gelte das Thema Vertreibung immer noch als Tabuthema, das mit Vorurteilen, aber auch mit Ängsten beladen ist, erzählt eine der Studentinnen. Die Zeit aber heile Wunden. Unter jungen Menschen sei das Kapitel der Geschichte ohnehin kein Thema mehr. "Alle wollen nur, dass sich die Geschichte nie mehr wiederholt", bestätigen ihre Kommilitonen.

Politik lobt Engagement des Hauses

Polnische Studenten informieren sich im Haus Schlesien (Foto: DW)
Polnische Studenten informieren sich im Haus SchlesienBild: DW

Von der deutschen Politik erhält das Haus Schlesien für alle Bemühungen - auch für den liebevoll und aufwändig aufgebauten musealen Bereich - nach dem Bundesvertriebenengesetz finanzielle Unterstützung. Eine Nähe zu Parteien aber wird abgelehnt. "Wir sind kein Politbüro", betont Präsident Blaschke. "Wir pflegen hier nur die Kultur."

Autor: Wolfgang Dick

Redaktion: Kay-Alexander Scholz