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Kenia sucht nach einer Verfassung

20. Januar 2004

Während Bundeskanzler Gerhard Schröder Kenia besucht, streiten die Kenianer weiter um eine neue Verfassung. Neben mehr Gewaltenteilung soll darin Neutralität und Unabhängigkeit der Gerichte wieder hergestellt werden.

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Kenias Präsident glaubte bei seiner Wahl: Eine Verfassung sei schnell gemachtBild: AP

Die Tische sind bedeckt von bunten Mappen mit der Aufschrift "eilig". Es ist Sitzungspause der Delegierten. Sie rühren in ihrem stark gesüßten, milchigen Tee und diskutieren lautstark. "Der Einfluss des Präsidenten muss stärker beschnitten werden", ruft Lydiah Kimani. Sie ist eine der 600 Autoren, die eine neue Verfassung für Kenia erarbeitet sollen.

Bei den Wahlen im Dezember 2002 wählten die Kenianer die Einheits- und Regierungspartei KANU erstmals ab. Wahlsieger wurde Mwai Kibaki, Kandidat der Opposition, die sich zur National Rainbow Coalition zusammengetan hatte. Für Kenia hieß das: Ein Ende der Gewalt, Unterdrückung und Misswirtschaft. Zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit vor 40 Jahren war der Weg für mehr Demokratie frei – nur eine Verfassung muss noch her.

Nach seiner Wahl glaubte Präsident Mwai Kibaki noch, eine Verfassung, dass sei innerhalb von 100 Tagen zu schaffen - doch: weit gefehlt. Noch immer streiten die Delegierten. Seit vergangener Woche ist die dritte Tagungsrunde der Verfassungsversammlung eröffnet.

"Wir schreiben Geschichte"

Der Verhandlungsalltag fordert von den Delegierten eine Menge Geduld und Überzeugungskunst. Doch für Lydiah Kimani ist es ein erhebendes Gefühl, an der Verfassung mitzuarbeiten. "Wir schreiben schließlich Geschichte." Der Entwurf soll so schnell wie möglich fertig gestellt werden. Wenn alles gut läuft, soll die Verfassung im März dem Parlament übergeben werden und im Juni bereits in Kraft treten.

Das Lieblingsthema der kenianischen Medien war von Anfang an die Frage, wie viel Einfluss der künftige Premierminister haben soll - ein Posten, der neu geschaffen werden und die Macht des Präsidenten beschneiden soll. Der übermächtige Daniel arap Moi, der 24 Jahre lang herrschte, hatte das Präsidialsystem in Verruf gebracht. Und sein Nachfolger Mwai Kibaki möchte trotz aller Versprechen, einen Teil der Macht abzugeben, auch nicht gerade zu einer Repräsentationsfigur degradiert werden.

Machtverteilung

Nach dem jüngsten Entwurf soll der Präsident weiterhin Regierungschef bleiben und die Minsiter ernennen dürfen. "Wenn es zwei Machtzentren gibt, dann halten sie sich gegenseitig in Schach", meint Kimani.

Ein anderer heikler Punkt in dem Verfassungsentwurf ist die Behandlung der Ethnien. So wird - wie bisher - das Recht der muslimischen Minderheit auf islamische Gerichte festgeschrieben. "Es ist ungerecht, dass nur die Muslime in der Verfassung erwähnt werden sollen", beschwert sich die Delegierte Leah Ndeke. Die Moslems stellen etwa 20 Prozent der Bevölkerung, 70 Prozent sind Christen. Das Sonderrecht der Muslime geht auf einen Handel aus der Zeit der Unabhängigkeit (1963) zurück: Der Sultan von Sansibar forderte es im Gewgenzug für die Kontrolle über die kenianische Küste.

Das Autorenkollektiv setzt sich aus breiten Teilen der Mittel- und Oberschicht zusammen. Kurz vor Beginn der jüngsten Verhandlungsrunde forderten mehrere Politiker, die restliche Arbeit an der Verfassung einem "Expertengremium" zu überlassen. Doch damit stießen sie auf erbitterten Widerstand bei den Delegierten, die alle Regionen und gesellschaftlichen Gruppen Kenias repräsentieren sollen. Ein Delegierter, Rodah Maende erklärt: "Sie haben an der Macht geschnuppert und haben Angst, sie wieder zu verlieren." (je)