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Kenias Autoflüsterer

Marc Engelhardt15. September 2008
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Bild: picture-alliance/dpa

Das Geräusch, das mir seit einigen Tagen eine Gänsehaut am ganzen Körper verursacht, geht in etwa so: Klunk, klunk, klunk. Klingt vielleicht nicht ganz so furchteinflößend, käme es nicht irgendwo aus den Tiefen meines Autos, einem nicht mehr ganz taufrischen Toyota. Klunk, klunk, klunk, das kann so ziemlich alles bedeuten, jedenfalls für mich, denn leider habe ich von Autos nicht die geringste Ahnung. Deshalb bin ich auf das Urteil von Mechanikern angewiesen, und da nimmt das Unheil seinen Lauf.

Mechaniker ohne Werkstatt

Nicht, dass es in Kenia zu wenig Mechaniker gäbe, im Gegenteil. An den Straßenrändern sind diejenigen aufgereiht, die "jua kali", unter der stechenden Sonne, arbeiten. Juakali-Mechaniker haben keine Werkstatt, keine Helfer und selten mehr als ein Werkzeug. Wer irgendwo im Busch liegen bleibt, der hat selten eine andere Wahl als die, dem örtlichen Juakali bei seiner Operation unter offener Motorhaube zuzusehen und zu staunen, was man mit einem verbogenen Schraubenzieher alles fertig bringen kann. Und selbst in Nairobi kenne ich Wagemutige, die ihr Auto einem Juakali anvertrauen.

Der depressive Hans

Wer sich das - wie ich - nicht traut, dem bleiben noch die "echten" Mechaniker, deren Werkstätten in Hinterhöfen versteckt über die ganze Stadt verstreut liegen. Straßen sind schlecht in Kenia, wenn vorhanden, und so ist ein guter Mechaniker jemand, den sich der durchschnittliche Autofahrer im Schnitt einmal pro Monat wünscht. Und jeder hat einen Geheimtipp, den er - meist im Flüsterton - weiterreicht, "weil Du es bist". Auf diese Weise haben mein Auto und ich in den vergangenen Jahren so einige Mechaniker kennen gelernt. Den Deutschen etwa, Hans, der für seine magische Hand bei Blechschäden bekannt ist. Tatsächlich schaffte Hans es zunächst, alle "Klonks" zu beseitigen. Beim dritten Besuch aber, mein Auto stand seit einer Woche auf seinem Hof, rief er mich auf einmal an: "Hol den Wagen ab, ich habe keine Lust, ihn zu reparieren." Später hörte ich, Hans hat öfter mal Depressionen, dann bleiben die Autos ein paar Wochen lang unberührt auf dem Hof stehen.

Dann gibt es den Italiener, der nicht aussieht wie ein Mechaniker, eher wie ein Autoflüsterer: Geschätzte 100 Jahre alt, Zigarette im Mundwinkel, lugte er durch gut zehn Zentimeter dicke Brillengläser in die Eingeweide meines Autos, bis er fachkundig feststellte: "Ein Toyota." Er drehte sich um und rief mir im Weggehen zu: "Ich repariere keine Toyotas." Erleichtert fuhr ich von dannen.

Lautes Auto

Mein aktueller Mechaniker ist Kenias amtierender Rallyemeister. Wer bei Tempo 200 jedes Wochenende sein Leben im Auto riskiert, so dachte ich mir, muss wissen, was er tut. Meine schweigende Hupe reparierte er denn auch fachkundig, leider so, dass sie jetzt immer hupt, sobald ich das Licht einschalte. Im Getöse einer Rallyejagd geht das Geräusch womöglich unter, in Nairobis Feierabendverkehr leider nicht. Was tun? Morgen stoppe ich bei einem Juakali. Da kostet die Reparatur immerhin nur ein, zwei Euro. Die unvermeidlichen Fehlbehandlungen lassen sich so wenigstens leichter verschmerzen.