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Zu warm für Papageientaucher

Greg Norman
8. Juni 2018

Wenn die Weltmeere durch den Klimawandel wärmer werden, verschwinden die Seevögel, also auch die Papageientaucher. Dass deren Zahl abnimmt, hat in erster Linie mit einer Kettenreaktion zu tun, die unter Wasser beginnt.

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Zwei Papageientaucher mit geöffneten Flügel und Fischen im Schnabel
Bild: picture-alliance/blickwinkel/P. Frischknecht

Als würde man am roten Teppich einer Filmpremiere stehen. Die Auslöser der Kameras klicken, Fotografen versuchen, sich den besten Platz für ihren Schnappschuss zu sichern. Aber es geht hier nicht um den neuesten Hollywood-Film, sondern um einen kleinen Vogel. Und es gibt auch keinen roten Teppich, sondern nur schroffe Felsen. Wir befinden uns an der Küste Nord-Englands, in einem Schutzgebiet namens Bempton Cliffs, das von der Royal Society of Birds (RSPB) verwaltet wird. Der Star, dem das Blitzlichtgewitter gilt, ist der Papageientaucher.

Die Fotografen, die sich hier tummeln und den klaren, warmen Frühsommertag nutzen, sind Tagesausflügler und Vogelbeobachter. Sie sind nicht nur für den Papageientaucher an die Küste gekommen, sondern auch für viele andere Seevögel, die hier heimisch sind. In Bempton Cliffs gibt es beispielsweise auch die größte Brutkolonie von Tölpeln in ganz England.

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Die meiste Aufmerksamkeit gehört allerdings ohne Frage den kleinen Papageientauchern, die mit ihren markanten Schnäbeln und traurig dreinblickenden Augen am Ende des Tages sicher auf vielen Instagram- oder Facebook-Kanälen der Fotografen landen werden.

Vögel sitzen auf einem Felsen
Vogelbeobachter kommen nach Bemton Cliffs um Papageientaucher und andere Seevögel zu beobachten, die an der Küste heimisch sindBild: Greg Norman

Die schwarz-weiß gefiederten Vögel sind gerade einmal 25 Zentimeter groß. Mutig und wendig stürzen sie sich in die Fluten der nördlichen Meere und tauchen dabei mit bis zu 80 Kilometern pro Stunde auf 60 Meter Tiefe hinab. Dort schnappen sie sich Meeraale, ihre Hauptnahrungsquelle.

'Katastrophale Situation'

Wenn man die Tiere in Aktion sieht, käme man kaum auf die Idee, dass ihre Art bedroht ist. Allein in Island, wo sie hauptsächlich zu Hause sind, gibt es Millionen Exemplare. Trotzdem hat die International Union for the Conservation for Nature (IUCN) 2015 ihren Status auf vom Aussterben bedroht verändert. Die kleinen Taucher haben viel Gesellschaft auf dieser Liste, denn laut einer aktuellen Studie der Umweltschutzgruppe Birdlife ist etwa ein Drittel der Seevogel-Arten weltweit in Gefahr.

"Der Papageientaucher ist mehr oder weniger das Aushängeschild für eine katastrophale Situation, die gerade britische Seevögel betrifft", sagt Euan Dunn vom RSPB. Der leitende Politikberater der Organisation ist gleichfalls auch Autor eines Buches über Papageientaucher.

Ein fliegender Papageientaucher
In Island gibt es noch Millionen Exemplare von Papageientauchern, trotzdem ist die Art vom Aussterben bedrohtBild: Imago/blickwinkel

Die Zahl der Papageientaucher ist selbst in ihrem wichtigsten Brutgebiet auf der Insel Farne rückläufig. Wie der britische National Trust kürzlich vorgelegt hat, soll die Kolonie an Englands Nordküste etwa 40 Prozent ihrer Tiere verloren haben und das innerhalb von nur fünf Jahren.

"Es wird schlimmer, je weiter man nach Norden vordringt", sagt Dunn. Besonders schlimm sei es auf den schottischen Orkney-Inseln und den Shetland-Inseln. "Insgesamt würde ich sagen, hat sich die Zahl der Seevögel in Schottland seit den 1980er Jahren halbiert." In Großbritannien leben zehn Prozent der weltweiten Population.

Papageientaucher auf dem Teller

Auch in Island, wo die weltweit meisten Papageientaucher leben, gehen die Zahlen seit einigen Jahren drastisch zurück. Einige Studien gehen davon aus, dass knapp ein Viertel der Tiere seit dem Jahr 2002 verschwunden sind.

Wie deutlich der Rückgang sein muss, zeigt sich auch daran, dass es kaum noch Jäger gibt, die Papageientaucher fangen. Dabei hat die Jagd auf die flinken Vögel in Nordisland eine lange Tradition. Hunderttausende wurden jedes Jahr gefangen. Zwar landen auch heute noch Exemplare auf den Tellern von Restaurantgästen in Reykjavik, aber es sind wesentlich weniger als früher.

Eine Gruppe Papageientaucher auf einem Felsen, ein Vogel sieht in die Kamera
Für die Papageientaucher wird die Nahrung knapp, weil ihre Hauptnahrungsquelle, der Kleine Sandaal auch weniger Nahrung findetBild: Imago/blickwinkel

Erpur Hansen ist den Vögeln auf Islands Westman-Inseln seit mehr als zehn Jahren auf der Spur. Das Land mag zwar die weltgrößte Population an Papageientauchern haben, in der Vergangenheit war die Zahl des geschlüpften Nachwuchses teilweise aber katastrophal niedrig.

"Wir haben in den Jahren 2003, 2004 und insbesondere 2005 viele tote Küken gesehen", sagt Hansen. Dieser Abwärtstrend hat sich bis heute fortgesetzt. "Wenn das so weitergeht, wird die Welt, bezogen auf Papageientaucher, eine ganz andere sein."

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Versiegende Nahrungsquelle

Wo liegt nun der Grund für den Rückgang der Zahlen? Es ist eher eine Kette von Gründen, die hier zutreffend zu sein scheint: Der Klimawandel führt zu einer Erwärmung der Ozeane und das wiederum sorgt dafür, dass für Papageientaucher und andere Seevögel, wie die Dreizehenmöwe, die Nahrung knapp wird.

Beide Arten fressen bevorzugt den Kleinen Sandaal. Mit steigenden Wassertemperaturen verschwindet aber die Hauptnahrungsquelle der Sandaale: Kaltwasser-Zooplankton. Oder es wird durch Warmwasser-Zooplankton ersetzt. Das Ergebnis ist das gleiche: die Sandaale finden weniger Nahrung, es gibt weniger Exemplare und folglich fehlt auch die Nahrungsquelle der Seevögel.

Noch sieht Erpur Hansen einen Silberstreif am Horizont. Vor zwei Jahren seien die Fische überraschend in das Jagdgebiet der Papageientaucher bei Reykjavik zurückgekehrt, sagt er.

"Wir hatten dort eine sehr hohe Fruchtbarkeit bei den Vögeln. Es hätte kaum besser sein können", so Hansen.

Eine Dreizehenmöwe sitzt auf einem Felsen
'Der Papageientaucher ist mehr oder weniger das Aushängeschild für eine katastrophale Situation, die gerade britische Seevögel betrifft'Bild: Imago/Nature Picture Library/A. williams

Der Ökologe Francis Daunt vom Centre of Ecology and Hydrology ist weniger optimistisch. Er sagt, dass es in bestimmten Gebieten auch noch andere Ursachen als wärmere Meere gebe.  Überfischung, sagt er, sei ebenfalls ein Problem, oder Robben, Extremwetter und Ratten. Insbesondere letztere würden Eier und Küken der Vögel fressen.

Naturschützer könnten weder an den Meerestemperaturen drehen, noch direkt das Auftreten von extremen Wetterereignissen verändern, so Daunt. Stattdessen würden "Menschen dazu neigen, sich auf greifbare Arbeit zu konzentrieren." Das Ausrotten von Ratten auf den Inseln, auf denen die Seevögel heimisch seien, wäre so eine greifbare Arbeit. Eine wertvolle Sache, findet Daunt.

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Genau das nimmt die RSPB auf der schottischen Isles of Shiant, aber auch an anderen Orten, in Angriff. Die Organisation hat außerdem das sogenannte Project Puffin (Projekt Papageientaucher) ins Leben gerufen, bei dem Freiwillige die Populationen überwachen und zählen und diese Informationen mit anderen Gruppen austauschen.

"Wir tun, was wir können, um dafür zu sorgen, dass die Seevögel die besten Chance haben, mit dem Druck, der auf ihnen lastet, fertig zu werden", sagt Dunn. Dazu gehöre auch der Ansatz, drei Schutzgebiete für Sandaale vor der schottischen Küste zu schaffen.

"Man kann kaum mehr machen, als sicherzustellen, dass es in diesen Gebieten keine menschlichen Aktivitäten gibt und die bestehenden Sandaal-Populationen in Ruhe gelassen werden", so Dunn.