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Kim Jong Il soll balsamiert werden

17. Januar 2012

Das kommunistische Nordkorea plant, den kürzlich verstorbenen Führer Kim Jong Il zu balsamieren. Er soll neben seinem Vater Kim Il Sung, dem "ewigen Präsidenten" Nordkoreas, im Kumsusan-Mausoleum aufgebahrt werden.

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In einem Glassarg liegt der verstrobene Kim Jong Il (Foto: AP)
Nordkoreas Staatschef ist am 17. Dezember 2011 an einem Herzinfarkt gestorbenBild: dapd

Bereits zu Lebzeiten wurde der kürzlich verstorbene Diktator zu einem Übermenschen stilisiert. Laut offizieller Legende sollen bei Kim Jong Ils Geburt eine Sternschnuppe und ein doppelter Regenbogen erschienen sein. Zu seinem Tod betonten die staatlichen Medien, der "geliebte Führer" sei unter großen mentalen und physischen Leiden beim unermüdlichen Einsatz für sein Volk dahingeschieden.

Der bizarre Kult, den er von seinem Vater Kim Il Sung übernommen hat, wird nun über seinen Tod hinaus fortgesetzt. Es soll eine Bronzestatue aufgestellt werden. Landesweit werden Porträts mit einem lächelnden Diktator aufgehängt und "Türme zu seiner Unsterblichkeit" errichtet. Der 16. Februar wird auf Beschluss des Politbüros zum "Tag des strahlenden Sterns" bestimmt.

Revolutionäre als Mumien

Kim Jong Il steht damit in einer Reihe mit anderen kommunistischen Führern des 20. Jahrhunderts, die balsamiert und aufgebahrt wurden: Lenin und Stalin in Moskau, Mao Zedong in Peking und Ho Chi Minh in Hanoi.

Als Lenin 1924 starb, setzte Stalin gegen Lenins letzten Willen die Einbalsamierung durch. Auch Lenins Frau, die sich mit den Worten "lasst nicht zu, dass sich euer Leid in eine äußerliche Anbetung Wladimir Iljitschs (Lenins) verwandelt" gegen eine Konservierung aussprach, blieb ungehört.

Der Kopf des toten Lenins ruht auf einem Kissen, Blumen umgeben den Leichnam
1924 wurde Lenin im Kreml aufgebahhrt und später auf Befehl Stalins einbalsamiertBild: picture-alliance / Judaica-Sammlung Richter

Nachdem ein erster Versuch, Lenins Körper zu erhalten, gescheitert war, übernahm der Anatomieprofessor Worobjow die Einbalsamierung. Er entfernte alle inneren Organe, spülte den Körper mit destilliertem Wasser aus und befüllte die Hülle mit einem Cocktail konservierender Chemikalien. Um die Spuren der Verwesung zu beseitigen und Lenin ein ansehnliches Äußeres zu geben, wurden die Augen durch Prothesen ersetzt, der Mund zugenäht und Wasserstoffperoxid gespritzt, was ihm einen rosigen Teint verlieh.

Seit fast 90 Jahren wird Lenins Körper regelmäßig grunderneuert. Dennoch schwindet Lenin mehr und mehr. Experten vermuten, dass gerade mal zehn Prozent des Körpers noch echter Lenin sind.

Die Instandhaltungsarbeiten kosten Russland jährlich mehr als eine Million Euro. Immer wieder wurden Stimmen laut, dem Spuk ein Ende zu bereiten und Lenin endlich zu begraben. Das scheiterte bisher aber am Widerstand eines Teils der - vor allem älteren - Bevölkerung Russlands, die Lenin nach wie vor verehrt.

Personenkult und Diktatur

Das Ho Chi Minh Mausoleum in Hanoi im Zentrum des Ba Dinh Platzes (Foto: dpa)
Ho Chi Minh fand seine letzte Ruhestätte, wo er 1945 die Unabhängigkeit Vietnams erklärteBild: picture-alliance/dpa

Lenins Beispiel und das seiner konservierten Nachfolger Stalin, Mao Zedong, Ho Chi Minh und Kim Il Sung zeigen, wie zentral der Personenkult in den sozialistischen Systemen des 20. Jahrhunderts war und zumindest in Nordkorea noch ist. Generell scheint der Personenkult Bestandteil des Herrschaftssystems von Diktaturen zu sein. Er gehörte zum italienischen Faschismus unter Mussolini ebenso wie zum Nationalsozialismus Hitlers in Deutschland. Er kennzeichnete auch arabische Diktaturen wie zum Beispiel unter Saddam Hussein im Irak oder Muammar al-Gaddafi in Libyen. Auch in der zentralasiatischen Republik Turkmenistan wird um den 2006 verstorbenen Präsidenten Saparmurat Nijasow ein Personenkult veranstaltet.

Einzig die Praxis der Balsamierung und Aufbahrung der Führer in einem Mausoleum scheint etwas typisch Sozialistisches zu sein. Die kommunistischen Regime eifern damit dem Beispiel ihres Idols Lenin nach.

Das Ende des Spuks

In Russland machte Chruschtschow der Praxis der Einbalsamierung endgültig ein Ende. Auf dem 20. Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) im Jahr 1956 verurteilte er den Personenkult um Stalin und den Stalinismus. 1961 wurde Stalins einbalsamierter Leichnam bestattet.

Ho Chi Minh und Mao Zedong wollten – wie Lenin – niemals einbalsamiert werden. Beide wünschten, verbrannt zu werden. Aber die Parteiapparate stellten sich gegen den Wunsch ihrer ehemaligen Führer. Die Parteien Chinas und Vietnams waren sich der symbolischen Bedeutung ihrer populären Führer nur allzu bewusst, als dass sie auf deren propagandistisches Potenzial verzichtet hätten. Aber nur die Gründerväter des neuen Chinas und des neuen Vietnams kamen in den Genuss einer Einbalsamierung. Damit hält derzeit nur noch Nordkorea an dieser Tradition fest.

Autor: Rodion Ebbighausen
Redaktion: Hans Spross