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Offene Zukunft

14. Februar 2012

Nach dem Tod Kim Jong-ils rätselt die Welt, wie es weitergeht in Nordkorea. Ist Kim Jong-un wirklich der unumstrittene Nachfolger? Und: Wird er die Konfrontationspolitik seines Vaters fortsetzen?

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In this Thursday, Feb. 17, 2011 photo released by China's Xinhua News Agency, North Korean leader Kim Jong Il's youngest son and a four-star general Kim Jong Un attends a Lantern Festival concert in Pyongyang, North Korea. North Korea held a concert in Pyongyang on Thursday to mark the Lantern Festival of the lunar year of 2011. (AP Photo/Xinhua, Gao Haorong) NO SALES
Kim Jong Un Nachfolger seines Vaters NordkoreaBild: AP

Rüdiger Frank gehört zu den wenigen Europäern, die regelmäßig nach Nordkorea reisen. Selbst in der einzigen kommunistischen Erbdiktatur der Welt ist für Frank der Wandel unübersehbar: "Wenn sie das Land vor zwanzig Jahren besucht haben und jetzt hinfahren, ist der wachsende Materialisimus Nordkoreas unübersehbar", erzählt er. Als Beispiel nennt Frank den Drang der Menschen nach dem derzeitigen Statussymbol Nummer eins: einem Mobiltelefon.

Nordkoreaner bestaunen Handys in der Auslage eines Geschäfts (Foto:AP/Xinhua)
Statussymbol Nummer eins in Nordkorea: das MobiltelefonBild: AP

Er selbst sei von Nordkoreanern um 300 Euro gebeten worden, damit sie sich ein Handy kaufen können. "Das ist ein hohes Risiko, das so jemand eingeht, aber der Drang nach dem Handy ist dann stärker als die Angst vor den Repressalien."

Rüdiger Frank stammt aus der ehemaligen DDR und gilt als ausgezeichneter Kenner der nordkoreanischen Gesellschaft. Nordkorea könnte am Ende das gleiche Schicksal erleiden wie die Staaten Osteuropas, analysiert Frank. Diese hätten "am Ende ideologisch kaum mehr funktioniert", ganz einfach weil sie den Konsumansprüchen ihrer Bürger nicht mehr genügt haben.

Keine Änderungen während der Trauerphase

Bisher hat Nordkorea mit seiner Mischung aus Isolation und Repression allen Umständen getrotzt, die eigentlich zu seinem Zusammenbruch hätten führen müssen: Der Zusammenbruch der Schutzmacht Sowjetunion, die wiederkehrenden Hungersnöte, die Sanktionen des Westens. Das ganz auf den Staatsgründer Kim Il-sung zugeschnittene System überlebte dessen Tod im Jahr 1994 und die Machtübernahme seines Sohnes Kim Jong-il. Nun ist auch dieser gestorben und Beobachter in aller Welt fragen sich, ob noch einmal eine Machtübergabe an die nächste Generation gelingen wird. Der neue Herrscher Nordkoreas Kim Jong-un ist dabei noch nicht einmal dreißig Jahre alt.

Beisetzungs-Prozession im Schnee: ein Auto trägt ein großes Portrait Kim Jong-ils (Foto: AP)
Beisetzung Kim Jong-ils am 28. Dezember 2011 - bis heute herrscht StaatstrauerBild: AP

"Kurzfristig gehe ich davon aus, dass es keine Änderung gibt", sagt Kim Tae Woo, der Vorsitzende des nicht staatlichen koreanischen Instituts für die nationale Wiedervereinigung. "Im Moment ist in Nordkorea die Trauerphase. Es gibt zwar dort viele Unsicherheitsfaktoren. Aber die werden während der Trauerphase unterdrückt. Erst danach beginnt die kritische Phase."

In Südkorea beobachtet man die Situation im Norden natürlich ganz besonders aufmerksam. Auch wenn die Perspektive, dem bitterarmen Norden wirtschaftlich auf die Beine helfen zu müssen, inzwischen viele Südkoreaner abschreckt: Erklärtes Staatsziel ist immer noch die Wiedervereinigung Nord- und Südkoreas.

Zugeständnisse nur gegen Bürgerrechte

Im Lauf der letzten zwanzig Jahre hat Seoul vieles ausprobiert, um diesem Ziel näher zu kommen: Es gab die Sonnenscheinpolitik des liberalen Präsidenten Kim Dae-jung, die nach dem Vorbild der deutschen Ostpolitik der siebziger Jahre auf Kooperation setzte. Gipfeltreffen der beiden Präsidenten fanden statt und Familienbegegnungen.

Dann folgte eine Politik der kalten Schulter. "Wir wollen nicht einfach nur eine technische oder geografische Wiedervereinigung. Die Wiedervereinigung muss gleichzeitig das Ende der Unterdrückung der Menschen in Nordkorea bedeuten", betont Kim Hyun-uk. Er ist der stellvertretende Vorsitzende des Nationalen Beirats für eine demokratische und friedliche Wiedervereinigung. Das ist ein Beratungsstab der Regierung, deren Vorsitzender der jeweilige Staatspräsident ist. Kim spricht also für die Politik des konservativen Präsidenten. Und dessen Linie ist: Zugeständnisse an das Regime nur bei Entgegenkommen in den Bürgerrechten. Die innerkoreanischen Beziehungen haben sich mit dieser Linie deutlich abgekühlt. Zwar schickt der Süden seit Kurzem wieder Hilfslieferungen in den Norden. Doch ein breiter Austausch mit Investitionen, Begegnungen und Gipfeltreffen wie von der linksliberalen Vorgängerregierung anvisiert, ist derzeit ausgeschlossen.

Soldaten an der innerkoreanischen Grenze (Foto:AP)
Grenzsoldaten - die innerkoreanischen Beziehungen haben sich derzeit wieder abgekühltBild: picture alliance/dpa

Kim Hyun-uk ist zu einer Diskussionsveranstaltung nach Berlin gekommen und mit ihm einige weitere südkoreanische Experten, die alle mehr oder weniger deutlich einer harten Haltung gegenüber Nordkorea zuneigen. Das mag daran liegen, dass angesichts der Starrköpfigkeit des nordkoreanischen Regimes in Südkorea eine gewisse Ernüchterung gegenüber der Entspannungspolitik der Jahrtausendwende herrscht. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die Veranstaltung von der konservativen Konrad-Adenauer-Stiftung organisiert wird. Ziel ist es, koreanische und deutsche Experten zusammenzubringen, um zu erörtern, was Korea aus dem deutschen Beispiel lernen kann. Es gebe schliesslich kein anderes Land, das Erfahrung mit Teilung und Wiedervereinigung hat, sagt Präsidentenberater Kim Hyun-uk. "Für uns ist Deutschland ein großes Vorbild."

Angelpunkt Peking

Allerdings weiß auch Kim, dass es einen ganz entscheidenden Unterschied gibt zwischen Deutschland im Jahr 1990 und Korea im Jahr 2012. Die deutsche Wiedervereinigung wurde vor allem möglich, weil Moskau als Schutzmacht Ost-Berlins zustimmte. Der Weg zur koreanischen Vereinigung, glauben internationale Diplomaten deshalb, führe über Peking. Peking ist der letzte Verbündete Pjöngjangs - und wichtigster Handelspartner obendrein. Achtzig Prozent des nordkoreanischen Außenhandels werden mit der Volksrepublik China abgewickelt. Vor allem die Unterstützung Pekings halte das Regime in Nordkorea am Leben, glaubt der Vereinigungsforscher Kim Tae Woo.

Rüdiger Frank,Ostasien-Wissenschaftler und Korea-Experte an der Uni Wien (Foto: DW)
Rüdiger Frank, Korea-Experte und Ostasien-Wissenschaftler an der Universität WienBild: Professor Rüdiger Frank

Nur Peking könne Nordkorea zu einer Änderung seiner Politik bringen. "Vielleicht verfolgt die nächste Generation der chinesischen Führung ja universellere Werte und übt Druck auf Nordkorea aus", hofft er vage.

Rüdiger Frank allerdings warnt davor, Chinas Einfluss zu überschätzen. Das nordkoreanische Atomprogramm beispielsweise werde auch in Peking als Gefahr für die Stabilität in der Region eingestuft. Und doch gelinge es Peking nicht, Nordkorea von der Bombe abzubringen. "Ich glaube, dass diese Atomwaffen auch geschaffen wurden, um sich die Chinesen auf Armeslänge vom Leib zu halten," urteilt Koreaexperte Frank.

Autor: Mathias Bölinger
Redaktion: Matthias von Hein