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Mathelehrer aus Osteuropa

17. August 2009

An deutschen Schulen herrscht in Fächern wie Mathematik oder Physik eklatanter Lehrermangel. Die Lücke stopfen könnten aus Osteuropa zugewanderte Lehrer. In Fortbildungen bereiten sie sich auf den Schuldienst vor.

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Blick in einen Seminarraum (Foto: Daniel Scheschkewitz)
Lehrer beim LernenBild: DW / Daniel Scheschkewitz

Damit zugewanderte Lehrkräfte aus Ost- und Südosteuropa sich für den Schuldienst in Deutschland bewerben können, müssen sie ausreichende Deutschkenntnisse nachweisen können und sich fachlich für den Unterricht an deutschen Schulen weiterbilden. Genau darauf bereitet sie ein zwölfmonatiger Kurs in Bochum vor, der nun schon im dritten Jahr in Folge durchgeführt wird. Die Fördermaßnahme wird von der Otto-Benecke-Stiftung finanziert und in Räumen der Ruhr-Universität Bochum durchgeführt. Dort üben 20 Frauen und Männer, die meisten von Ihnen zwischen 30 und 40 Jahre alt, den Gebrauch des deutschen Konjunktivs. Was man tun könnte, damit nicht so viele Schüler sitzen bleiben, sollen die Pädagogen aus Osteuropa nun in möglichst korrektem Deutsch formulieren.

Mathelehrer aus Weißrussland

Zwei Frauen beugen sich über Materialien auf ihrem Tisch (Foto: Daniel Scheschkewitz)
Die Lehrer müssen eine Prüfung bestehen, bevor sie in deutsche Klassenzimmer dürfenBild: DW / Daniel Scheschkewitz

Dem Modellprojekt liegt die realistische Annahme zugrunde, dass in Mathematik und den Naturwissenschaften der Bedarf an Lehrkräften mit deutschen Hochschulabsolventen nicht mehr zu decken sein wird. Projekt-Koordinatorin Jutta Schnippering von der Otto-Benecke-Stiftung: "Es geistern Zahlen durch die Presse von 20.000 bis 40.000 fehlenden Lehrern. Also warum nicht die, deren Ausbildung bereits im Ausland finanziert wurde hier kurz für ein Jahr lang unterstützen, um sie dann dem Arbeitsmarkt für Lehrer zur Verfügung zu stellen?"

Die rhetorische Frage scheint mehr als berechtigt. Denn die Teilnehmer haben zum größten Teil in ihren jeweiligen Ländern schon im Lehrerberuf gearbeitet. Zum Beispiel die 36-jährige Svetlana Artiuch. Mit ihrer Familie und einem Hochschulabschluss im Gepäck ist sie im August 2002 aus Weißrussland zugewandert. In Deutschland wollte sie eine bessere Zukunft für sich und ihre Kinder. Doch zunächst wurde sie arbeitslos. Über Umwege erfuhr sie von der Fördermaßnahme in Bochum, wo sie nun Woche für Woche in einem Mix aus Theorie und Praxis in Entwicklungspsychologie, Didaktik und Deutsch als Fremdsprache fit für das Referendariat gemacht wird. "Mathematische Begriffe und Formeln sind das Gleiche, ob in Weißrussland oder Deutschland, und Kinder sind überall Kinder. Ich finde da keine großen Unterschiede", sagt die Weißrussin, die in dem einjährigen Kurs vor allem ihre Kenntnisse der deutschen Grammatik vertiefen will.

Kinder sind überall gleich

Eine Lehrerin schreibt etwas an die Tafel (Foto: DW-TV)
Kinder sind überall Kinder - ob in Ost- oder WesteuropaBild: DW-TV

Um die Kursteilnehmer mit dem deutschen Schulalltag vertraut zu machen, werden regelmäßige Unterrichtsbesuche an Schulen in der Umgebung durchgeführt. Auch die Universität Bochum hilft bei der Ausbildung. Dort können die Teilnehmer mit Lehrbefähigung in Physik einschlägige Didaktik-Seminare besuchen. Nach elf Monaten müssen die Kursteilnehmer eine Abschluss-Prüfung ablegen, die als Kolloquium bezeichnet wird und sprachliche und bildungstheoretische Elemente umfasst.

"Die Prüfung besteht aus einem Fachaufsatz zu einem pädagogischen Thema, einem relativ schwierigen sprachlichen Lückentext und aus einer mündlichen Prüfung, die sich um ein Unterrichtsthema dreht", erklärt Sabine Wings von der Diakonie Essen, die als Beauftragte die Kursmaßnahme vor Ort leitet.

Wenn die Teilnehmer die Prüfung bestehen, haben sie ein vollständig anerkanntes 1. Staatsexamen und können in den Vorbereitungsdienst in Schulen im Bundesland Nordrhein-Westfalen gehen.

Lehrer mit Lebenserfahrung

Porträt eines Mannes (Foto: Daniel Scheschkewitz)
Mentor Bujupi, ein Lehrer aus KosovoBild: DW / Daniel Scheschkewitz

Mentor Bujupi aus dem Kosovo hat in seinem Heimatland Mathematik und Physik unterrichtet. In Deutschland hat er schon in verschiedenen Berufen gearbeitet. Mit seinen 44 Jahren hofft er, diese praktischen Erfahrungen bald auch gewinnbringend im Unterricht an einer deutschen Schule einsetzen zu können. "Ich habe schon im Bau, im Chemie-Labor oder bei Siemens in einer Trockner-Fabrik gearbeitet. Ich finde das auch gar nicht schlimm, denn diese Erfahrungen kann man auch positiv im Unterricht einbringen."

Pro Kursteilnehmer gibt die Otto-Benecke-Stiftung zwischen 5000 und 6000 Euro aus. Die Lebenshaltungskosten werden von den Arbeitsagenturen bestritten, da alle Teilnehmer in Deutschland arbeitslos gemeldet sind. Der bisherige Prüfungserfolg scheint den Initiatoren der ungewöhnlichen Fördermaßnahme recht zu geben, sagt Jutta Schnippering von der Otto-Benecke-Stiftung: "Im ersten Kurs lag die Erfolgsquote bei der Abschlussprüfung bei rund 70 Prozent. Alle, die bestanden haben, sind ins Referendariat gegangen."

Schon bald könnten Mathelehrer aus Osteuropa also zu einem ganz normalen Bestandteil des deutschen Schulalltags werden.

Autor: Daniel Scheschkewitz
Redaktion: Jochen Vock