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Kinder und die Macht

Stephan Hille27. Januar 2004

Knapp zwei Monate vor dem Ende der ersten Amtsperiode und der erwarteten Wiederwahl Putins hat der Kreml eine Website gestartet, die versucht, Antworten auf dringende Fragen zu geben.

https://p.dw.com/p/4bnG

"Lerne den Präsidenten kennen" heißt die neue Website, die sich - leider nur auf Russisch - an die Bürger Russlands im Schulalter (von 8 bis 14 Jahren) richtet. Wenn nun aber schon die Erwachsenen an Putin und seinem Verständnis von Staat und Demokratie verzweifeln, wie sollen dann erst Schulkinder Putins Welt verstehen?

Vielleicht, so könnte eine Erklärung lauten, sind Jungs und Mädchen noch unvoreingenommener und daher eher in der Lage, das Wesen der russischen Demokratie zu begreifen. Sie könnten dann ja helfen, ihre Eltern aufzuklären.

Im Lern-Angebot der Seite sind ein Schnellkurs zur russischen Demokratie, Geschichte und einige persönliche Details aus dem Leben des Präsidenten. Eine Fotogalerie zeigt Putin als Pilot im Kampfflugzeug, als Judo-Kämpfer sowie im Kreise der verschiedensten Haus- und Lieblingstiere: Putin mit seinem Lieblings-Labrador "Koni", den Pferden, der Ziege "Skaska" und sogar beim Baden mit Delphinen. Wir halten also fest: Der Oberkommandierende der russischen Streitkräfte und Kampfsportler mit schwarzem Gurt ist ein Tierfreund.

Viel interessanter sind jedoch die Antworten, die der Präsident den drei Kindern gibt, die als Comicfiguren durch die Internetseiten führen: Zum Beispiel, was der Präsident nicht darf. Antwort: "Er darf das Gesetz nicht brechen." Geklärt wird auch die Frage, woran der Präsident keine Schuld trägt. Die Antwort heißt - und jetzt bitte ganz ehrlich: Hätten Sie's gewusst? - "An aufgeschlagenen Knien."

Schließlich räumt die Website mit einem weiteren Irrglauben der Russen auf. Gefragt wird, ob "man sich von morgens bis abends für den Präsidenten begeistern soll". Die Antwort muss natürlich, ist doch klar, "Nein" lauten. Beruhigend auch die Antwort auf die von Kindern häufig gestellte Frage, wer im Leben wichtiger sei, die Mama oder der Präsident. Die russischen Kinder können aufatmen: Auch nach Ansicht der Web-Designer im Kreml sollte dies die Mama sein.

Die Website verzichtet auf ausführliche Erklärungen zum Themenkomplex der Demokratie und der Frage, warum sie als Staatsform wünschenswert wäre. Das ist pädagogisch sinnvoll, denn man sollte die Kids nicht gleich überfordern. Immerhin lernen die jungen Besucher, dass es demokratisch zugeht, wenn die Erwachsenen im Fernsehen unterschiedlicher Meinung sind, aber dass es nicht demokratisch ist, wenn bei einer Wahl nur ein Kandidat auf den Wahlzetteln steht.

Gute Nachrichten also für Russland: Der Kreml zeigt sich von seiner besten Site, die Mamas können ganz unbesorgt sein, und die Kids - Russlands Hoffnung - sind für die Zukunft gewappnet. Zumindest theoretisch, denn ob die russischen Jugendlichen in ihrer Freizeit tatsächlich die neue Kreml-Page anklicken, darf bezweifelt werden.