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Herzogs Film "Salt and Fire" startet

Bernd Sobolla
7. Dezember 2016

Die Geschichten des deutschen Filmemachers Werner Herzog spielen oft in abgelegenen Orten oder handeln von Menschen, die unter extremen Bedingungen leben. Das gilt auch für sein neues Werk "Salt and Fire".

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Matt Riley (Michael Shannon) und Prof. Laura Sommerfeld (Veronica Ferres) in der Uyuni Salzwüste in Bolivien
Matt Riley (Michael Shannon) und Laura Sommerfeld (Veronica Ferres) in der Uyuni Salzwüste in Bolivien Bild: Camino Filmverleih

"Salt and Fire" beginnt fast wie ein Actionfilm: Die UN-Wissenschaftlerin Laura Sommerfeld (Veronica Ferres) soll mit zwei Mitarbeitern eine Umweltkatastrophe am Diablo Blanco in Bolivien untersuchen. Doch kurz nach ihrer Ankunft am Flughafen wird die Gruppe entführt. Von wem und warum, bleibt zunächst offen. Sommerfeld und ihre Helfer (Gael Garcia Bernal und Volker Michalowski) werden in eine abgelegene Hacienda gebracht, um sie herum schwarz Vermummte mit Maschinengewehren. Eigentlich deutet alles auf Erpressung und Lösegeldforderung hin. Doch dann nimmt der Boss der Operation seine Maske ab. Es ist Matt Riley (Michael Shannon), der sich als CEO des Konsortiums offenbart, das für die Umweltkatastrophe verantwortlich ist.

In Filmen von Werner Herzog geht es meistens archaisch zu

Es entwickelt sich ein verbales Katz-und-Maus-Spiel zwischen ihm und Laura Sommerfeld: Während sie versucht herauszufinden, warum sie entführt worden ist, zeigt sich Riley als melancholischer Philosoph, zitiert Nostradamus und Ecclesiastes, spricht von Veränderung und Perspektivwechsel: "Es gibt keine Realität, nur Annahmen, Sichtweisen und kollektive Ängste, die sich in Verschwörungstheorien verdichten." Sommerfeld und Riley werden vertrauter miteinander. Doch dann fahren Riley und die Entführer Laura Sommerfeld auf eine Anhöhe inmitten der riesigen Salzwüste und lassen sie dort mit zwei blinden Jungs allein zurück.

Film "Salt and Fire": Der Vulkan, auf dem wir (noch) leben
Matt Riley schildert Laura Sommerfeld seine Philosophie von Perspektive und Wahrnehmung Bild: Camino Filmverleih

In fast allen Filmen von Werner Herzog geht es irgendwie archaisch zu: Menschen, die ums Überleben kämpfen, dabei selbst oft rücksichtslos ihre Pläne verfolgen, wie in "Fitzcarraldo". Weil sie angetrieben werden von ihrer Bestimmung, von dem Wunsch, die Zivilisation voranzutreiben oder auch zu unterdrücken, wie in "Cobra Verde". Oder weil sie fremde Welten entdecken wollen, wie in "The wild blue yonder". Das Fremde im Menschen sucht Herzog auch in seinen Dokumentarfilmen zu ergründen: So schildert er in "On death row" Fälle von verurteilten Mördern, oder portraitiert in "Grizzly Man" den Tierschützer Timothy Treadwell, der für den Erhalt der Bären kämpfte. 

Die Apokalypse ist greifbar nahe

Werner Herzog deswegen als Filmemacher zu bezeichnen, der sich nur auf der Schwelle zwischen Tod und Leben wohl fühlt, wäre zwar nicht völlig falsch, aber doch zu kurz gefasst. In all seinen Filmen erkennt man auch eine poetische Ader. Herzog liebt die Schönheit – ob in der Natur oder in der Kunst - und er bemüht sich, diese in seinen Filmen zu zeigen: So in seinen fesselnden Dokumentationen "The white diamond", die eine Expedition im Regenwald von British Guayana schildert, oder in "Die Höhle der vergessenen Träume", in der Herzog die prähistorischen Höhlenmalereien der südfranzösischen Chauvet-Höhle zeigt.

Film "Salt and Fire": Der Vulkan, auf dem wir (noch) leben
Für die drei UN-Wissenschaftler (Volker Michalowski, Veronica Ferres, Gael Garcia Bernal) wird die Lage immer bedrohlicherBild: Camino Filmverleih

In "Salt and Fire" drückt sich dies einerseits in Rileys philosophischen Verweisen aus, andererseits in den großen visuellen Momenten des Films. So führt Herzog seine Protagonisten an eine verlassene Gleisanlage mit alten verrosteten Zügen inmitten der Wüste - eine geniale Metapher für eine Menschheit, die sich in einer zivilisatorischen Sackgasse befindet. Die Fahrt durch die weiß schillernde Salzwüste (Uyuni Wüste, Bolivien) erinnert an die Entdeckung einer Landschaft auf einem fremden Planeten. Und wenn sich Sommerfeld dort mit den beiden Jungen, die Inka-Namen tragen, auf den Boden legt, um den Vulkan zu hören, der unter der Salzoberfläche brodelt, ist die Apokalypse greifbar nahe.

Vom Aralsee nach Bolivien

Der Film basiert auf dem Buch "Aral" von Tom Bissel, das vom Aralsee in Kasachstan handelt. Dieser war einst das viertgrößte Binnengewässer der Erde, bis die Sowjets dort Baumwolle anbauten. Heute ist der See eine einzige Salzwüste. Werner Herzog: "Ganze Fischereiflotten sitzen auf dem Sand und rosten dort vor sich hin." Eigentlich sollte "Salt and Fire" am Aralsee gedreht werden, aber die logistischen Probleme waren zu groß.

Film "Salt and Fire": Der Vulkan, auf dem wir (noch) leben
Werner Herzog ist der Ansicht: "Veronica Ferres ist der einzige weibliche Star, den wir in Deutschland haben." Bild: Camino Filmverleih

So muss Laura Sommerfeld ihren UN-Bericht über einen bolivianischen Salzsee anfertigen. Das macht die Schauspielerin ordentlich, aber nicht mehr. Wenn Werner Herzog behauptet, "dass sie der einzige weibliche Star ist, den wir in Deutschland haben", ist das lächerlich. Aber es sei ihm verziehen. Vielleicht ist er einfach nur verliebt. Werner Herzog kann keine großen Dialoge schreiben, die dramaturgische Stringenz seiner Drehbücher ist nicht immer perfekt, was auch für seine Schauspielführung gilt. Aber in seinen Filmen schwingt so viel Hingabe und Erzählkraft mit, die er zudem mit großen visuellen Momenten krönt, dass es sich fast immer lohnt, sie zu sehen. So ist auch "Salt and Fire" auf jeden Fall eine Empfehlung.