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"Kinshasa Symphony" - ein außergewöhnliches Orchesterportrait

17. Januar 2011

Der Kongo – das ist Elend und Armut, Bürgerkrieg und Militärputsch. Doch seit kurzem steht Kinshasa, die kongolesische Hauptstadt, auch für Hoffnung, Träume und klassische Musik.

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Dirigent Armand Diangienda Wabasolele, der das einzige klassische Orchester in Zentralafrika leitet und beim Beethovenfest 2010 den Film "Kinshasa Symphony" vorgestellt hat (Foto: Kinshasa Symphony)
Dirigent Armand Diangienda WabasoleleBild: Kinshasa Symphony

Der Film "Kinshasa Symphony" der beiden deutschen Filmemacher Claus Wischmann und Martin Baer war ein durchschlagender Erfolg. Die beiden begleiteten ein Jahr lang das einzige Symphonieorchester Zentralafrikas, das Orchestre Kimbanguiste, und dokumentierten den mühevollen Weg zur Verwirklichung eines großen Traums: Die Aufführung eines Sinfoniekonzerts zum 50. Unabhängigkeitstag des Kongo. Der Film "Kinshasa Symphony" hat seit seiner Premiere vor rund einem Jahr viele Preise bekommen und Besucher begeistert. Doch er hat noch mehr bewirkt: den Beginn einer neuen musikalischen Zusammenarbeit.

Vom Holzklotz zum Musikinstrument

Kontrabass (Foto: picture-alliance)
KontrabassBild: picture-alliance / Lehtikuva

Wenn das Orchestre Kimbanguiste einen neuen Kontrabass braucht, geht Albert Matubanza in Kinshasa erst einmal auf den Markt. Nicht irgendeinen Gemüsemarkt, sondern einen speziellen Markt für Tropenhölzer. Dort sucht er nach genau dem richtigen Klotz: der muss groß genug sein und aus hartem Holz, um dem Druck der Saiten Stand zu halten. In monatelanger Arbeit macht er dann aus diesem Stück Holz ein Instrument. Als Instrumentenbauer ist Albert Autodidakt. Er hat sich das Handwerk selbst beigebracht, indem er den einzigen Kontrabass, den es in Kinshasa nach dem Bürgerkrieg noch gab, auseinander nahm, um zu verstehen, wie er konstruiert ist. Und auch beim Spielen gehen die Musiker des Orchesters ähnlich pragmatisch vor, sagt Martin Baer, einer der beiden Macher von "Kinshasa Symphony". "Es fing damit an, dass Albert Matubanza dachte, wenn ich Gitarre spielen kann, dann lerne ich noch die anderen Saiteninstrumente und bringe sie den anderen bei". Inzwischen hat er vielen Orchesterkollegen die Noten und ihr Instrument erklärt.

Wahnsinniger Enthusiasmus

Entstanden ist das Orchester aus der Kirche der Kimbangisten heraus, mit fünf bis acht Millionen Mitgliedern die drittgrößten Glaubensgemeinschaft in Afrika. Kirchenstifter ist der afrikanische Prophet und Märtyrer Simon Kimbangu, der 1921 mit seinem Tod in Gefangenschaft der belgischen Kolonialherren eine religiöse Massenbewegung auslöste. Orchesterleiter Armand Diangienda ist der Enkel des Kirchengründers. Er gründete vor 16 Jahren einen Kirchenchor und ein Sinfonieorchester, die beide zusammen heute mehr als 200 Mitglieder haben. Ihr Geld verdienen die Musiker tagsüber als Frisör, Handwerker oder Markthändler. Doch abends um 17 Uhr 30 werden sie zu Künstlern, wenn die tägliche Probe beginnt. "Die Musiker haben einen wahnsinnigen Enthusiasmus und eine Entschlossenheit, alle Schwierigkeiten zu meistern", sagte Martin Baer, der das Orchester mehr als ein Jahr lang mit der Kamera begleitet hat. "Sie helfen sich gegenseitig beim Spielen, lernen voneinander und üben am liebsten, indem sie Musik-DVDs ansehen. So können sie nicht nur hören, sondern auch sehen, wie die Musiker ihre Instrumente spielen."

Spenden aus aller Welt

Plakat: Kinshasa-Symphony (Foto: DW TV)

Seit der Film "Kinshasa Symphony" auf internationalen Festivals gezeigt wurde und in Deutschland im Kino lief, werden die Orchestermitglieder unterstützt: durch Spenden von Instrumenten, Geld für Reparaturen und Workshops für die Weiterbildung der Musiker. Die Hilfsangebote der Kino-Zuschauer waren so zahlreich, dass auf der Homepage des Films eine eigene Spendenplattform eingerichtet wurde. "Da ist alles dabei, vom Fagott bis zum Cello", sagt Produzent Martin Baer. Und sogar einen Kontrabass gibt es. Gespendet wurde er von einem Professor für Kontrabass aus Rostock, der das Instrument im Februar selbst in die kongolesische Hauptstadt bringen will.

Begegnung auf Augenhöhe

Aus aller Welt bekommt das Orchester inzwischen E-mails von Musikern und Ensembles, die Kontakt suchen. Das sei ganz im Sinne von Orchesterleiter Armand Diangienda, sagt Regisseur Baer. "Der sagt, was sie brauchen, ist der Austausch und die Verbindung mit anderen Musikern. Und wenn dann Musiker von hier sagen, sie wollen dorthin gehen - nicht als musikalische Entwicklungshelfer, sondern weil sie sich von der Arbeit der afrikanischen Musiker inspiriert fühlen - dann ist das natürlich fantastisch". Und so waren im Dezember sieben Musiker der WDR-Orchester für einen einwöchigen Workshop in Kinshasa. "Es war keine kulturelle Entwicklungsarbeit, sondern eine Begegnung auf Augenhöhe, geprägt von großem Respekt", sagt einer der Teilnehmer an dem Austausch. Eine Woche lange zeigten die Profis den ehrgeizigen Amateuren, was sie noch besser machen können – und waren beeindruckt von der großen Begeisterung ihrer afrikanischen Kollegen und der einigenden Kraft der Musik. Geplant ist, das Projekt im nächsten Jahr zu wiederholen. Und das ist gut so, denn Dirigent Albert Diangienda kann für sein nächstes Ziel viel professionelle Unterstützung gebrauchen. Er will nämlich die erste Musikschule Kinshasas gründen: für den Orchester-Nachwuchs.

Autorin: Monika Hebbinghaus

Redaktion: Gudrun Stegen