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Politik

Friedensgebete reichen nicht

26. Mai 2017

Terror statt Toleranz: Ausgerechnet als Scheich Ahmad al-Tayyeb und Innenminister Thomas de Maizière auf dem Kirchentag über Frieden diskutierten, wurde in Ägypten erneut ein Anschlag verübt. Aus Berlin Astrid Prange.

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36. Evangelischer Kirchentag
Bild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

Auf einmal war es ganz still. Innenminister Thomas de Maizière unterbrach die Debatte auf dem Kirchentags-Podium über Toleranz und friedliches Zusammenleben und verkündete eine schreckliche Nachricht: Bei einem Anschlag auf einen Bus in Ägypten wurden mindestens 24 christliche Kopten getötet.

Das Ringen um Toleranz vor dem Hintergrund des Terrors – beim Kirchentag in Berlin ist diese Spannung greifbar. Es scheint, als hätte der erneute Anschlag in Ägypten die Bemühungen um eine friedliche religiöse Koexistenz hierzulande und erst Recht in Ägypten, für die auch der Kirchentag ein Zeichen sein sollte, wieder zunichte gemacht.

Immer wieder Beileid 

Paris, Nizza, Berlin, Manchester und schon wieder Kairo – je größer die Bemühungen für religiösen Frieden und gesellschaftlichen Zusammenhalt werden, so scheint es, desto größer sind auch die Kräfte der Zerstörung. Werden auf dem Kirchentag ebenfalls nur fromme Wünsche formuliert? Oder schaffen es religiöse Führer, sich trotz aller Unterschiede als Friedensstifter zu positionieren?

Scheich Ahmad al-Tayyeb, Imam der weltbekannten al-Azhar-Moschee in Kairo, der gemeinsam mit Innenminister Thomas de Maizière auf dem Podium sitzt, ringt um Worte. "Es scheint, dass ich nicht nur den Menschen in Manchester mein Beileid aussprechen muss, sondern auch den jüngsten Opfern in Ägypten", sagt er.

36. Evangelischer Kirchentag de Maiziere und Großscheich
Innneminister de Maizière (Mitte) mit Großscheich al-Tayyeb und Kirchentagspräsidentin Christina Aus der AuBild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

Krieg bestimmt Erinnerungen

Und er versucht, eine Erklärung zu finden. "Es geht darum, Ägypten zu schaden, zu zeigen, Ägypten ist ein unsicheres Land. Die Terroristen sind keine ägyptischen Staatsbürger. Sie haben einen Auftrag, aber ich sage jetzt nicht, von wem."

Der ägyptische Islamgelehrte und der deutsche Innenminister auf dem Kirchentag in Berlin: Seit einem Jahr stehen sie in engerem Kontakt. Der 70-jährige al-Tayyeb, aufgewachsen und geprägt durch die zahlreichen Konflikte im Nahen Osten, angefangen mit dem Suezkrieg 1956, und de Maizière, Protestant mit provokanten Thesen zur sogenannten deutschen Leitkultur.

Mehrere tausend Menschen sind in die Messehallen in Berlin gekommen, um der Debatte zwischen dem Imam und dem deutschen Minister zu folgen. Die Anwälte des Publikums sammeln stapelweise ein, die Sehnsucht nach Frieden brennt allen Anwesenden unter den Nägeln.

Kirchentag, Berlin, Deutschland, 2017
Nicht nur politische Debatten: Rund 2.500 Veranstaltungen haben die Organisatoren des Kirchentags geplant.Bild: Reuters/F.Bimmer

Prävention in elf Sprachen

Als Scheich al-Tayyeb von den theologischen Vorschriften des Islam gegen Terrorismus spricht, die zu den Lehrplänen der Ausbildung von Imamen aus 160 Ländern an der al-Azhar-Universität in Kairo gehören, brandet Applaus auf. Als er von der überwältigenden Resonanz des Webportals der Universität erzählt, das in elf Sprachen Terrorbotschaften auf der Basis islamischer Glaubensgrundsätze widerlegt, staunt das Publikum.

Innenminister Thomas de Maizière deutet an, dass künftig auch in Deutschland ausgebildete Imame von dieser Präventionsarbeit der Universität profitieren könnten. Es werde eine Kooperation zwischen al-Azhar und der Humboldt Universität in Berlin im Bereich islamische Theologie angestrebt, so der Minister.

Je größer der Terror, desto wichtiger die Kooperation – so lautet das Motto der beiden Männer auf dem Kirchentags-Podium. Die Botschaft kommt an, bietet sie doch gerade angesichts des erneuten Anschlags in Kairo zumindest einen Hoffnungsschimmer, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen.

Kirchenglocken und Muezzinrufe

Der Protestant de Maizière wartet mit einem konkreten Vorschlag auf. Wie wäre es, wenn alle religiösen Führer rund um das Mittelmeer ihren Friedensappellen Taten folgen lassen würden und an einem Tag zu einer bestimmten Uhrzeit gemeinsam Kirchenglocken und Muezzinrufe erklängen? De Maiziere: "Das wäre eine starke Botschaft, das würde ich mir wünschen!"