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Kirgisistan: Vorwürfe gegen Oppositionsführer Kulow

2. August 2007

Die Behörden in Bischkek machen den Ex-Premier und heutigen Oppositionsführer Feliks Kulow für die Organisation von Massenunruhen im vergangenen April verantwortlich. Beobachter äußern Zweifel an den Vorwürfen.

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Feliks Kulow unter DruckBild: AP

Das Nationale Sicherheitskomitee Kirgisistans hat den ehemaligen Premier und heutigen Führer der Vereinigten Front "Für eine würdige Zukunft Kirgisistans", Feliks Kulow, beschuldigt, am 19. April diesen Jahres in Bischkek Massenunruhen organisiert zu haben. Während jener Kundgebung hatten Gegner der Staatsmacht den Rücktritt von Präsident Kurmanbek Bakijew sowie eine Verfassungsreform gefordert. Die mehreren tausend Demonstranten wurden damals von der Miliz gewaltsam unter Einsatz von Schlagstöcken und Tränengas auseinandergetrieben. Über hundert Aktivisten wurden in Gewahrsam genommen, etwa tausend Personen wurden vernommen, darunter auch Abgeordnete. Nachdem infolge der April-Ereignisse weitere Oppositionelle festgenommen wurden, bot Kulow dem Nationalen Sicherheitskomitee an, ihn gegen inhaftierte Aktivisten auszutauschen. Dies lehnte der Geheimdienst aber ab, da es keinen Grund gebe, den ehemaligen Premier zu verhaften.

Kundgebung ja, Massenunruhen nein

Kulows Parteigenosse Emil Aijew sagte im Gespräch mit der Deutschen Welle, die jetzigen Vorwürfe gegen den ehemaligen Premier seien "seltsam", da es in Wirklichkeit während der Kundgebung gar keine Massenunruhen gegeben habe. "Wir können jederzeit die Ergebnisse unserer eigenen Untersuchungen vorlegen, die von Mitgliedern unserer Partei Ar-Namys, ehemaligen Milizangehörigen durchgeführt wurden", betonte Alijew. Der Oppositionelle meint, dass die Vorwürfe der Geheimdienste gegen Kulow politisch motiviert seien, mit dem Ziel, den Oppositionsführer aus der Politik zu verdrängen.

Auch Kulows Anwältin Ljubow Iwanowa sieht in dem Verhalten ihres Mandanten keine Straftat. Gegenüber der Deutschen Welle unterstrich sie, Kulow habe im April Kundgebungen organisiert, aber keine Massenunruhen. Nach Angaben der Anwältin dauerte die Vernehmung Kulows beim Nationalen Sicherheitskomitee, an der sie auch teilgenommen hatte, anderthalb Stunden. "Aus juristischer Sicht gibt es hier keine subjektive und auch keine objektive Seite", sagte Iwanowa und fügte hinzu: "Das Interessanteste ist, dass dies auch die Geheimdienste begreifen, was man an ihrem Vorgehen ablesen kann."

Angst vor oppositioneller Kundgebung?

Der russische Zentralasien-Experte Arkadij Dubnow meint, das Nationale Sicherheitskomitee habe Kulow am 1. August jene Vorwürfe vorgetragen und sich von ihm sogar schriftlich zusichern lassen, dass er das Land nicht verlassen werde. "Einen Tag zuvor hatten seine Kampfgenossen von der Front ‚Für eine würdige Zukunft Kirgisistans‘ angekündigt, während des Bischkeker Gipfeltreffens der Schanghai-Organisation für Zusammenarbeit am 16. August eine Kundgebung zu veranstalten, mit der Kulows Initiative, eine Konföderation zwischen Russland und Kirgisistan zu bilden, unterstützt werden soll". Gerade hier sieht Dubnow einen Zusammenhang. Er geht davon aus, dass nach den Vorwürfen gegen Kulow für die geplante Kundgebung keine Genehmigung zu erwarten ist.

Dubnow vermutet zudem, dass "die Führung des kirgisischen Geheimdienstes auf diese Weise Kulow einen Tausch anbietet, wonach von der Eröffnung eines Strafverfahrens nur dann abgesehen wird, wenn keine Kundgebung zur Unterstützung einer Union mit Russland stattfindet". Jedenfalls, so der Zentralasien-Experte Dubnow, könnten die Oppositionellen dem Sicherheitskomitee für diese "effektive PR-Hilfe" schon jetzt dankbar sein.

Bewegte politische Laufbahn

Feliks Kulow hat eine abwechslungsreiche politische Vergangenheit. Unter dem ehemaligen kirgisischen Präsidenten Askar Akajew bekleidete er das Amt des Vizepräsidenten, leitete die Geheimdienste, war Innenminister, Gouverneur des Gebiets Tschuj und dann auch noch Bürgermeister der Hauptstadt. Wegen Amtsmissbrauchs wurde er unter Akajew verurteilt, worauf er mehrere Jahre hinter Gittern verbrachte. Am 24. März 2005, im Verlauf der "Tulpen-Revolution", wurde Kulow von seinen Anhängern aus dem Gefängnis befreit. Später wurden alle Anschuldigungen gegen ihn fallengelassen. Unter Präsident Kurmanbek Bakijew war Kulow Ministerpräsident. Aber vor einem halben Jahr ging er in die Opposition. Seitdem führt er die Vereinigte Front "Für eine würdige Zukunft Kirgisistans" an.

Solto Temir, Bischkek
DW-RADIO/Zentralasien, 1.8.2007, Fokus Ost-Südost