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Klare Mehrheit für Beschneidung

Kay-Alexander Scholz12. Dezember 2012

Der Bundestag hat mit großer Mehrheit und über Parteigrenzen hinweg ein Gesetz zur religiösen Beschneidung gebilligt. Damit soll wieder Rechtssicherheit für Juden und Muslime in Deutschland geschaffen werden.

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Rabbiner verfolgen im Deutschen Bundestag die Debatte zur Beschneidung (Foto: dpa)
Bundestagsdebatte zur BeschneidungBild: picture-alliance/dpa

Die Abstimmung im Deutschen Bundestag fand namentlich und ohne vorherige Fraktionsfestlegung statt. 434 Abgeordnete aus allen Parteien stimmten für den Entwurf der Regierung, 100 Parlamentarier votierten dagegen, 46 enthielten sich. Der Entwurf von CDU/CSU und FDP sieht vor, dass Beschneidungen generell möglich sind, wenn sie nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgen. In den ersten sechs Monaten - dem in Israel üblichen Zeitraum - soll der Eingriff auch von ausgebildeten Beschneidern, also Nicht-Ärzten möglich sein.

Zuvor hatten die Parlamentarier ein zweites Mal ausführlich über das Beschneidungsgesetz debattiert, nachdem der erste Entwurf im November nach mehrstündiger Debatte zur Beratung an die Fachausschüsse des Bundestags überwiesen worden war. Zur Diskussion standen auch ein alternativer Gesetzentwurf der Oppositionsparteien SPD, Grüne und Linkspartei sowie drei Änderungsanträge zum Entwurf der Regierung.

Bundestag stimmt Gesetz zur Beschneidung zu

Gelungene Debatte

Die Redebeiträge der Abgeordneten zeugten wie schon bei der ersten Debatte von hoher Sensibilität für die Thematik und waren frei von Zuspitzung. Deshalb konnte der CSU-Abgeordnete Norbert Geis zu Recht zusammenfassen: "Wir haben zur Versachlichung der Diskussion beigetragen und das wirkt auch in die gesamte Gesellschaft."

Ausgerechnet Deutschland mit seiner Vergangenheit dürfe nicht das erste Land sein, das ein Beschneidungsverbot ausspreche, warnte Luc Jochimsen. Dies aber wäre die Folge der im Alternativentwurf vorgesehenen Altersgrenze von 14 Jahren. "Wie soll dann zukünftig ein Zusammenleben möglich sein?", fragte die Abgeordnete der Linkspartei. Das Gesetz würde ein Gefühl der Illegalität erzeugen und in die Isolation treiben. Dies sei eine Gefahr.

Drei Grundrechte berührt

Andrea Voßhoff von der CDU gab zu, dass das Thema Beschneidung nicht in die Kategorie des politischen Alltags passe, sondern eine andere Dimension berühre, nämlich die Frage, ob jüdisches Leben in Deutschland erwünscht sei.

Der Entwurf bringe die drei Grundrechte Kindeswohl, Religionsfreiheit und Elternsorgerecht in eine gute Balance, sagte der FDP-Abgeordnete Stephan Thomas.

Der Staatsanwalt dürfe nicht die Antwort auf eine Beschneidung sein, sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast. "Auch wenn ich die religiöse Praxis selber nicht verstehe, die Folgen eines Verbots will ich nicht (…) Ich würde mir wünschen, die Religion ändere sich, aber das habe nicht ich zu entscheiden."

Ob die Rechte des Kindes dort aufhören, wo die Religion anfängt, fragte Diana Golze von der Linkspartei, die zur Gruppe der Kritiker des Regierungsentwurfs gehört.

Rechtssicherheit schaffen

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von der FDP hatte am Mittwoch in Medieninterviews den Alternativentwurf klar abgelehnt. Sollte dieser den Bundestag passieren, würden jüdische und muslimische Eltern mit ihren Kindern ins Ausland gehen, um den Eingriff vornehmen zu lassen. "Wir vertreiben sie dann hier aus Deutschland, das kann nicht sein", betonte die Ministerin. Das Beschneidungsgesetz führe in die Normalität zurück, die bis zum Urteil des Kölner Landgerichts vom Mai, das eine Körperverletzung des Kindes urteilte, für alle selbstverständlich war.

Die Wiederherstellung dieser Normalität ist nun auf einem guten Weg. Der Bundestag hat den Alternativantrag samt Änderungsanträgen mehrheitlich abgelehnt und den Entwurf der Regierungsfraktionen CDU/CSU und FDP angenommen. Am Freitag wird das Gesetz dem Bundesrat vorgelegt, der dem Entwurf wohl folgen wird.