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Kleiner Grenzverkehr mit großen Folgen

Birgit Kaspar (sm)4. März 2009

Aus Syrien finden Lebensmittel, Baumaterialien, aber auch Waffen ihren Weg in den Libanon. Ein Projekt zur Grenzischerung soll den Schmuggel unterbinden - doch es kommt kaum voran.

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Junge neben Lastwagen, Foto: Birgit Kaspar
Diesel ist eines der beliebten Schmuggelgüter von Syrien in den LibanonBild: Birgit Kaspar

Ein Schotterweg führt hinunter zum Nahr al Kabir, wo die Grenze zwischen Libanon und Syrien verläuft. Eine schmale Furt durchquert den kleinen Fluss, auf der syrischen Seite windet sich der offensichtlich viel befahrene Weg einen Hügel hinauf, bis seine Spur sich am Horizont verliert. "Dies ist eine der vielen Schmuggelrouten im Wadi Khaled", sagt Mohammed al-Hajjeh, der Besitzer einer Steinbruch-Werkstatt direkt am Ufer.

Das Wadi Khaled ist eine entlegene Gegend im Nordlibanon, wo rund 30.000 Libanesen in äußerster Armut leben – die meisten verdienen ihren Unterhalt mit dem Warenschmuggel von und nach Syrien. Gehandelt werden vor allem Zement, Diesel, Gasflaschen, Viehfutter, aber auch Güter für den täglichen Gebrauch. Dass darunter auch Waffen sein sollen, weisen die Bewohner zurück. "Ohne den Schmuggel gäbe es keine Arbeit. Nur einige wenige, die Kühe oder Schafe haben, leben von der Landwirtschaft. Sonst gibt es hier nichts", klagt al-Hajjeh.

Schmugglerroute, Foto:Birgit Kaspar
Die Route der Schmuggler vom Libanon nach SyrienBild: Birgit Kaspar

Lange Jahre blieben die Leute im von Beirut total vernachlässigten Wadi Khaled völlig ungestört bei ihren Geschäften. Doch seit einiger Zeit kreuzen ab und zu libanesische Sicherheitskräfte auf. Sie kamen und versuchten, den Übergang mit einem Erdwall zu blockieren, erzählt al-Hajjeh. Aber das habe die Einheimischen nicht beeindruckt, sie trugen das Hindernis schnell wieder ab. Auf syrischer Seite gebe es keine Hindernisse.

Die meisten EU-Staaten haben sich aus dem Projekt zurückgezogen

An der etwa 100 Kilometer langen Nordgrenze patrouilliert seit Dezember 2007 die so genannte Common Border Force - ein Pilotprojekt unter deutscher Leitung, das die Libanesen an eine moderne, effektive Grenzsicherung heranführen soll. Für den Libanon ist ein solches Konzept Neuland, eine effektive Grenzkontrolle fand bisher nicht statt, die beiden Staaten haben ihre 375 Kilometer lange Grenze noch nicht einmal vollständig demarkiert. Nach dem Krieg mit Israel 2006 forderte die UNO-Resolution 1701 von Beirut aber die Sicherung der Grenzen und die Unterbindung des Waffenschmuggels an die Hisbollah.

Die Bundesregierung bot Hilfe an, entwickelte das Grenzprojekt, das auch von anderen EU-Staaten sowie den USA unterstützt wurde. Es sieht eine Zusammenarbeit zwischen dem libanesischen Zoll, der Armee, dem Geheimdienst sowie den internen Sicherheitskräften vor, die bislang völlig unabhängig voneinander agierten. Zudem wurden den Libanesen modernes Equipment zur Verfügung gestellt und Trainingseinheiten abgehalten. Doch das Ergebnis sei sehr mager, sagen westliche Diplomaten. So mager, dass sich inzwischen die Briten, die USA und die EU aus dem Projekt zurückgezogen haben. Auch ein von UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon entsandtes Team zur Überprüfung der Fortschritte an der Grenze stellte Beirut schlechte Noten aus. In dem Abschlußbericht vom Herbst 2008 heißt es: "Es gibt höchstens vereinzelte Inseln des Fortschritts, aber sie haben keine durchgreifende Wirkung auf die allgemeine Grenzsicherheit. Die libanesische Grenze zu Syrien ist ebenso durchlässig wie sie vor einem Jahr war."

"Alles kommt aus Syrien, sogar das Brot"

Hassan und Abdullah Attiyeh, Foto: Birgit Kaspar
Hassan und Abdullah Attiyeh gehen täglich über die Grenze nach Syrien.Bild: DW / Birgit Kaspar

Der libanesische Informationsminister Tarek Mitri beurteilt das Projekt hingegen sehr positiv: "Ich glaube, wir bewegen uns, wenn auch nur langsam, aber das liegt an unseren beschränkten personellen, technischen und wirtschaftlichen Ressourcen." Beirut will das Grenzprojekt nun um weitere 100 Kilometer Richtung Südosten ausdehnen. Das wird derzeit nur noch von Deutschland, das bislang rund 20 Millionen Euro investiert hat, und Dänemark unterstützt. Und das, obwohl ein zuvor als Bedingung eingefordertes umfassendes Strategiepapier der libanesischen Regierung nebst Umsetzungsplan bisher nicht vorgelegt wurde. Einige westliche Diplomaten schließen daraus, den Libanesen fehle der politische Wille zur Grenzsicherung. Auch die deutsche Projektleitung sieht Defizite. Dass die Bundesregierung dennoch weitermacht, liege vor allem daran, dass Kanzlerin Angela Merkel beim libanesischen Premier Fuad Siniora persönlich im Wort stehe, heißt es aus diplomatischen Quellen.

Die israelische Regierung warnt unterdessen, dass sie sich gezwungen sehen könnte, selbst aktiv zu werden, falls der Waffenschmuggel an die Hisbollah nicht unterbunden und die Grenze zu Syrien sicherer werde. Dieser Waffenschmuggel konzentriert sich zwar vor allem auf den südlichen Teil der Grenze, doch für das gesamte Grenzgebiet gilt: Solange sich die Lebensrealitäten für die Menschen nicht ändern und eine Zusammenarbeit mit Damaskus ausbleibt, wird sich an der Durchlässigkeit der Grenze nichts ändern. Hassan Atiyeh, der Besitzer eines Kramladens im Grenzdorf Knaisseh im Wadi Khaled bekennt, er gehe wenigstens einmal am Tag über die grüne Grenze nach Syrien. "Wir können nicht einen Moment ohne die Syrer leben, alles kommt von dort. Diese Gasflasche, das Dieselfass, sogar dieses Brot - alles kommt von den Syrern." Und wo es Wege für Gasflaschen, Diesel und Lebensmittel gibt, finden sich eben auch Wege für Waffen.