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Kleiner Mann ganz groß

2. Juli 2003

Er ist wohl so umstritten wie niemand sonst in der EU: Italiens Premier Silvio Berlusconi. Bis zum 31. Dezember werden er und seine Minister die Geschicke der EU lenken. Alexander Kudascheff hat neun Sätze dazu zu sagen.

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Der Selfmade-Milliardär, der Medien- und Fernsehmogul, der nebenamtliche Präsident des AC Milan, der Hobbypianist, der Mann mit dem Hang zu imposanten Posen, der kleine Italiener mit napoleonischen Zügen, der Politiker, der ständig vor Gericht steht - und gezogen wird, von einer durchwegs politisierten Justiz, wie er beklagt, der Ministerpräsident, der sich Gesetze auf den politischen Leib schneidern läßt - von der Immunität bis zur Verkürzung der Verjährungsfrist, der Aufsteiger aus kleinen Verhältnissen, der Mann, der Italiens Parteienlandschaft und seine Neigung zu wohlfeilen Kompromissen durcheinanderwirbelte, der Gegenspieler zu den Granden der italienischen nobiltá, der Mann, den seine Feinde hassen und den das Volk liebt, schließlich ist er einer von uns, der es denen da oben zeigt, wenn auch im Maßanzug oder im Palazzo, aber die Italiener kennen keinen Neid, der Politiker der kühnen, der tollkühnen Visionen - Israel und Russland müssen in die EU, der Parteigänger Bushs im Irak-Krieg - erst mit großen Worten und Gesten, dann immer leiser und kleinlauter, der Partner der Neofaschisten, die im Zegna-Anzug zu verbergen suchen, dass sie auch die Heimat der Mussolinianhänger sind, der Partner von Umberto Bossi, einem rabiaten Kleinbürger, einem Poujadisten, einem Ausländerfeind, der den Norden Italiens vom Süden am liebsten abtrennen würde und sogar eine eigen Republik Padanien im Norden ausgerufen, einem Minister, der nichts dabei findet, mit Kanonen auf Flüchtlingsboote zu schießen, dieser Mann übernimmt nun die europäische Geschäfte.

Sechs Monate wird er im Mittelpunkt stehen, sechs Monate lang wird er das Gesicht Europas sein.

Er wird nicht darauf verzichten, seinen eigenen Vorteil zuerst im Auge zu haben statt das europäische Gemeinwohl.

Berlusconi - das steht fest - wird die italienische Ratspräsidentschaft mit Pomp feiern.

Er wird mit Genuss die italienische Führung zelebrieren, wird gastfreundlich sein und charmant.

Wenn nötig, wird er sogar auf dem Klavier spielen, um Europas Regierungschefs milde zu stimmen.

Er wird sich konziliant geben, schließlich will er auch in Europa beliebt sein.

Und doch wird er ein halbes Jahr lang einem Gefühl ständig begegnen: dem Misstrauen.

Denn unheimlich ist Berlusconi den anderen schon, auch wenn sie es nicht offen zeigen.