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200 Tage bis Paris

Irene Quaile / ar20. Mai 2015

Es bleiben nur noch 200 Tage, um die Welt-Klimakonferenz in Paris vorzubereiten. Auf der soll ein globales Abkommen geschlossen werden, damit die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius beschränkt wird. Ein ehrgeiziges Ziel.

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Flagge der Vereinten Nationen (Foto: Foto: Oliver Berg dpa/lnw)
Bild: picture-alliance/dpa

Wenn sich die Vertreter von über 190 Ländern Ende November in Paris treffen, wird der Erfolgsdruck größer sein denn je: Es bleibt nur noch wenig Zeit, um ein weltweites Klima-Abkommen zu schließen, das die Erderwärmung begrenzt. Für März haben Wissenschaftler den höchsten je gemessenen monatlichen Durchschnittswert von Kohlendioxid in der Atmosphäre festgestellt: mehr als 400 Millionen Teilchen per Million (parts per million, ppm).

CO2, das beim Verbrennen von Kohle, Öl und Gas in die Atmosphäre entweicht, trägt nach Ansicht des Weltklimarates maßgeblich dazu bei, dass die globale Durchschnittstemperatur ansteigt. Wenn die internationale Gemeinschaft ihr selbst gesetztes Ziel erreichen will, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius gegenüber dem Wert vor Beginn der Industrialisierung zu beschränken, muss sie demnach die CO2-Emissionen drastisch reduzieren. Zwei Grad Celsius gilt als die Grenze, innerhalb derer die Konsequenzen des Klimawandels gerade noch beherrschbar. Eine Erwärmung darüber hinaus könne sehr gefährliche Auswirkungen haben.

Intensive Vorbereitungen nötig

Im Klimasekretariat der Vereinten Nationen mit Sitz in Bonn wird rund um die Uhr gearbeitet, um die entscheidende Konferenz in Paris vorzubereiten und sicherzustellen, dass die Regierungen der teilnehmenden Länder handfeste Erklärungen dazu abgeben, in welchem Umfang sie ihre Emissionen reduzieren wollen. Die nächste Verhandlungsrunde zur Vorbereitung steht im Juni in Bonn an.

Darüber hinaus steht der Klimawandel auch auf der Tagesordnung weiterer internationaler Treffen. Diese Woche hatte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Petersberger Klimadialog in Berlin eingeladen. Diese informelle Gesprächsrunde war 2010 ins Leben gerufen worden, nachdem im Jahr davor die Klimakonferenz im dänischen Kopenhagen gescheitert war.

Diskussionsrunde beim Petersberger Klimadialog in Berlin (Foto: Reuters)
Hochrangige Gespräche wie beim Petersberger Klimadialog sollen den UN-Gipfel gut vorbereiten.Bild: Reuters/T. Schwarz

Als Gastgeber der Konferenz im November waren auch der französische Präsident François Hollande und Außenminister Laurent Fabius nach Berlin gereist. In Paris findet derweil - um den Stichtag "200 Tage vor Paris" zu markieren - die sogenannte "Klimawoche" statt, in deren Rahmen beim "Wirtschafts- und Klimagipfel" Vertreter großer Firmen über Lösungsvorschläge zum Problem des Klimawandels diskutieren.

Das langfristige Ziel: weg von der Kohle

In einer gemeinsamen Erklärung sagten die deutsche Kanzlerin und der französische Präsident, dass sie gemeinsam mit den anderen Mitgliedern der Vereinten Nationen das Ziel unterstützen, innerhalb dieses Jahrhunderts die "Dekarbonisierung" zu schaffen, also "den vollständigen Umstieg auf kohlenstofffreies Wirtschaften." Das würde bedeuten, vollständig auf die Verbrennung von Öl, Gas und Kohle zu verzichten.

Merkel brachte auch ihre Unterstützung für eine geplante Klimaschutzabgabe zum Ausdruck. Diese sieht vor, dass die deutschen Kohlekraftwerke eine Abgabe zahlen müssen, wenn sie über eine bestimmte Freigrenze hinaus Kohlendioxid produzieren. Allerdings wehrt sich die Energiewirtschaft heftig gegen die Abgabe, und politisch ist sie selbst in der Regierungskoalition umstritten. Merkel aber blieb dabei, dass Deutschland sein selbst gestecktes Klimaziel erreichen müsse und die geplante Abgabe ein mögliches Instrument dazu sei. Insgesamt, so sagte sie beim Petersberger Klimadialog, ginge es nicht darum, auf Wirtschaftswachstum zu verzichten, "sondern es anders als bisher zu generieren."

Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Francois Hollande am Rande beim Petersberger Klimadialog (Foto: Reuters)
Die deutsche Regierungschefin und der französische Präsident wollen gemeinsam den Klimaschutz voranbringen.Bild: Reuters/T. Schwarz

Sowohl Merkel als auch Hollande betonten, dass es wichtig sei, Anreize für die Wirtschaft zu schaffen, damit am Ende des Jahres ein ehrgeiziges, umfassendes und verbindliches UN-Klimaabkommen geschlossen werden könne.

Jennifer Morgan, die das Klima-Programm des Thinktanks "World Resources Institute" (WRI) leitet, sagte gegenüber der DW, dass die Wirtschaft eine sehr bedeutende Rolle spiele. "Es sind die Firmen, die Innovationen vorantreiben und sich gegenseitig darin überbieten können, Lösungen zu finden", meint Morgan. "Außerdem sind es die Firmen, die ihre Kunden auf der Suche nach einer Lösung einbinden können, wie es ja auch bereits geschieht."

Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels gefährdet

Doch allen hochrangigen Treffen und Konferenzen zum Trotz, die immer wieder die Notwendigkeit schnellen Handelns betonen: Die Absichtserklärungen der Länder, um wie viel sie ihre Emissionen zu reduzieren gedenken, reichen nicht aus, um das sogenannte Zweigradziel einzuhalten. Bis Oktober sollen die Länder diese Absichtserklärungen beim Klimasekretariat eingereicht haben. Bisher haben das genau 38 Länder getan.

Es gebe immer noch eine Lücke zwischen dem, was an Emissionsminderungen zugesagt worden sei und dem, was nötig sei, stellte Jennifer Morgan im Gespräch mit der DW fest. "Was in Paris erreicht werden kann ist, dass diese Lücke geschlossen wird", sagt Morgan, "und zwar indem die Länder ehrgeizigere Ziele setzen und Verpflichtungen abgeben." Ihrer Meinung nach sollte das geplante Klima-Abkommen festlegen, dass die Klimaziele alle fünf Jahre angepasst werden müssen. Außerdem solle es ein Bekenntnis dazu enthalten, dass langfristig bis zur Mitte des Jahrhunderts gar keine Treibhausgase mehr verursacht werden sollten. "So eine ehrgeizige Absicht zu erklären sorgt dafür, dass das Tempo angezogen wird", meint Morgan, "und das ist das, was wir brauchen."

Jennifer Morgan vom World Resources Institute (Foto: DW/ A. Rönsberg)
Jennifer Morgan fordert stärkere Selbstverpflichtungen der StaatenBild: privat

Positive Signale

Auf dem Weg zu einem globalen Klimaabkommen hat es durchaus positive Signale von den Ländern gegeben, die die meisten Treibhausgase ausstoßen: China und USA. So hat sich China dazu bekannt, dass seine Emissionen nach dem Jahr 2030 nicht mehr steigen sollen. Die Vereinigten Staaten hingegen möchten ihre Emissionen bis zum Jahr 2025 um bis zu 28 Prozent im Vergleich zu 2005 drosseln.

Der drittgrößte Emittent von Treibhausgasen, Indien, steht unter Druck, seine Absichten zu erklären. Während eines China-Besuchs des indischen Premierministers Narendra Modi gaben die beiden größten Schwellenländer eine gemeinsame Erklärung ab, in der sie die Industrieländer aufriefen, ihren Treibhausgas-Ausstoß zu begrenzen. Sie forderten die Industrieländer außerdem auf, ihre Zusagen einzuhalten, die Entwicklungsländer ab dem Jahr 2020 mit jährlich 100 Milliarden US-Dollar zu unterstützen, damit diese Schritte finanzieren können, um sich an den Klimawandel anzupassen.

Der indische Premierminister Narendra Modi zu Besuch in China (Foto: Reuters)
Die Schwellenländer China und Indien gehen Seite an Seite - auch in die Klimaverhandlungen.Bild: Reuters/K. Fukuhara

Eine Frage historischer Verantwortung?

Die Entwicklungsländer berufen sich darauf, dass die Industrieländer für den Anstieg der Emissionen in der Vergangenheit verantwortlich sind und dass sie deshalb als erste in der Verantwortung stehen, in Zukunft Emissionen zu reduzieren und die Anpassung an den Klimawandel in den Entwicklungsländern zu finanzieren. Indien zum Beispiel sagt, dass es sich zwar zunehmend auf den Einsatz "sauberer" Energiern konzentrieren wolle, sich aber trotzdem nicht darauf festlegen könne, seine Emissionen zu reduzieren. Schließlich gehe es auch darum, die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben, um Millionen Bürger aus der Armut zu befreien.

Bei der Konferenz in Paris geht es nicht nur darum, Fortschritt darin zu erzielen, den Ausstoß von Treibhausgasen zu begrenzen, sondern auch darum, die Entwicklungsländer finanziell zu unterstützen, damit sie sich an den Klimawandel anpassen können - und darum, dass sie für die Schäden und Verluste, die sie infolge des Klimawandels erfahren, entschädigt werden. Anlässlich des Klimadialogs in Berlin sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel zu, dass sie den bevorstehenden G-7-Gipfel, der im Juni in Deutschland ausgerichtet wird, dazu nutzen werde, ihre Amtskollegen an die gemeinsame Verantwortung für die gemachten Finanzierungszusagen zu erinnern.

Die Kosten der Kohle

Merkel betonte auch, dass "die Bepreisung von Kohlenstoff, etwa durch Emissionshandel" eine wichtige Rolle spiele. Experten sind sich einig, dass ein wichtiges Instrument der sogenannten "Dekarbonisierung" sein muss, dem Ausstoß von CO2 einen Preis zu geben und ihn so teuer und wirtschaftlich unattraktiv zu machen. Merkel sprach sich dafür aus, einen globalen Kohlenstoffmarkt mit einem "verlässlichen CO2-Preis" anzustreben - analog zu einer reformierten Fassung des Emissionshandels in der EU, auf Englisch "Emissions Trading System", kurz ETS. Anfang Mai hatte sich die EU darauf geeinigt, den eigenen Emissionshandel ab 2019 zu reformieren und so dafür zu sorgen, dass der Ausstoß von CO2 teurer wird.

Kohlekraftwerk in Gelsenkirchen (Foto: AP /Martin Meissner)
Der Ausstoß von CO2 muss teuer werden, sagen Experten. Nur dann wird weniger emittiert werden.Bild: picture-alliance/AP/M. Meissner

Der Internationale Währungsfonds IWF spricht in einer Anfang der Woche veröffentlichten Studie davon, dass Energie subventioniert werde. Die Subventionierung besteht den Autoren zufolge darin, dass die Preise, die weltweit für Energie gezahlt werden, die durch den Energieverbrauch verursachten Schäden - wie z.B. Umweltverschmutzung - nicht abdecken. So kämen weltweit 5,3 Milliarden US-Dollar an Subventionen zusammen. Würde man diese streichen, so der IWF, könnten die weltweiten Emissionen um 20 Prozent reduziert werden.