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Klimaforschung

14. Mai 2010
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Quelle: Astrium/ESA
Bild: picture alliance/dpa

Der Forschungssatellit CryoSat-2 hat einen Radarhöhenmesser an Bord, mit dem er Land- und Meereis auf den Zentimeter genau messen kann . Auf diese Weise können die Klimaforscher erkennen, wie stark die Polkappen schmelzen. Mindestens drei Jahre soll CryoSat-2 im All sein. Wissenschaftler aus aller Welt warten mit Spannung auf Daten, die aus 720 Kilometern Höhe kommen sollen.

Duncan Wingham vom University College in London leitet die Eismission der ESA. Auf den Tag genau vor viereinhalb Jahren hatte sich der Klimaforscher schon einmal fast am Ziel gesehen. Doch dann stürzte der erste Cryosat zehn Minuten nach dem Start wegen eines Triebwerkfehlers der russischen Rakete ins Nordpolarmeer. Die Esa hielt dieses Projekt für so bedeutend, dass binnen eines halben Jahres 140 Millionen Euro für eine Neuauflage der Mission bewilligt wurden. Eine sensationell schnelle Entscheidung in den traditionell eher behäbigen Raumfahrtkreisen.

Quelle: Astrium pixel
Der 720 Kilogramm schwere europäische Eisforschungssatellit nach seiner FertigstellungBild: picture-alliance/ dpa

In 90 Minuten um die Erde

"Eis ist sehr wichtig für unser Klima – und umgekehrt. Wir Menschen sind dabei, mit der globalen Erwärmung viel Eis zu zerstören. Der Satellit soll messen, wie schnell das vor sich geht," erklärt Wingham. Das Messprinzip von Cryosat-2 ist erstaunlich simpel: Der Satellit hat ein äußerst empfindliches Radargerät an Bord. Es sendet stets kurze Impulse nach unten und misst exakt, wann das Echo den Satelliten erreicht. Aus der Laufzeit des Signals bestimmen die Forscher, wie weit das Eis vom Satelliten entfernt ist. Cryosat-2 nimmt sozusagen ständig eine präzise Höhenmessung vor.

Die Forscher erfahren so, wie dick der Eispanzer auf dem antarktischen Kontinent ist, aber auch, wie viel Eis im Nordpolarmeer treibt. Bisher konnten Satelliten nur mit Hilfe von Fotos zeigen, wo Eisschollen sind. Wie dick sie sind, also welche Mengen an Eis sie tatsächlich enthalten, blieb unklar. "Das abbildende Radarsystem hat mehr als die Hälfte der Baukosten für den Satelliten verschlungen. Dafür ist es so gut geworden, dass wir damit auf zwei Zentimeter genau messen werden, wie weit die Eisschollen aus dem Wasser ragen. Dann lässt sich berechnen, wie viel Eis dort wirklich ist."

Quelle: EPA/ESA
Am 08 April 2010 startete CryoSat - 2Bild: picture-alliance/ dpa

Der von EADS Astrium in Friedrichshafen gebaute Cryosat-2 überfliegt einmal in knapp 90 Minuten die Erde auf einer Bahn fast genau über die Pole hinweg. Die präzisen Eismessungen setzen voraus, dass auch die Position des in 717 Kilometern Höhe fliegenden Satelliten im All auf wenige Zentimeter genau bekannt ist. Eine technische Herausforderung für das Flugteam am Europäischen Satellitenkontrollzentrum Esoc in Darmstadt.

Einfluss des Eises auf das Klima

Im arktischen Ozean wollen die Klimaforscher vor allem verfolgen, welchen Einfluss Wind, Meeresströmungen, Luft- und Wassertemperatur auf das Eis haben. "In der Antarktis interessiert uns, wie der Eispanzer auf den Untergrund reagiert, von dem niemand genau weiß, woraus er besteht. Zudem wollen wir sehen, was passiert, wenn das Eis vom Land ins Meer rutscht." Nur wenn Duncan Wingham und seine Kollegen das Verhalten des Eises verstehen, lassen sich auch die globalen Meeresströmungen verstehen. So sinkt im Nordatlantik schweres salzreiches Wasser in die Tiefe und zieht warmes Wasser des Golfstroms weit nach Norden. "Für diesen Prozess ist das Eis im Polarmeer extrem wichtig. Im Nordatlantik besteht die konkrete Gefahr, dass eine Veränderung des Eishaushalts auch die Strömungen massiv ändert – mit unabsehbaren Folgen für das Klima in Europa", warnt Duncan Wingham.

Zwar werden die präzisen Daten von Cryosat den Forschern erstmals konkrete Einblicke in die Eisbildung und Eisschmelze in den Polargebieten geben. Doch in bestenfalls fünf Jahren Projektdauer lassen sich langfristige Klimatrends noch nicht beobachten. Da setzt der Forscher auf die Kreativität der Kollegen: "Vor vielen Jahren hat es einen Satelliten gegeben, der zum ersten Mal den Ozongehalt der Atmosphäre gemessen hat. Als man gesehen hat, dass das funktioniert und wie wichtig diese Daten sind, gab es plötzlich ganz viele Satelliten, die Ozon messen konnten - vielleicht werden wir beim Eis etwas ganz Ähnliches erleben."

Autorin: Maria Lesser