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Klimarat erneuerbare Energie

18. Mai 2011

Der vom Weltklimarat vorgestellte Bericht zu erneuerbaren Energien enthält eine frohe Botschaft: 80 Prozent des Energiebedarfs könnten die alternativen Energiequellen bis 2050 decken, wenn die Weltpolitik mitspielt.

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Windrad im Sonnenuntergang (Foto: dpa)
Bild: picture alliance / dpa

Empfehlungen gibt Ottmar Edenhofer nicht. Der Chefvolkswirt des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung ist ganz Wissenschafter. Das Gutachten, was er und seine 119 internationalen Kollegen für den Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change) auf rund 1000-Seiten zusammengestellt haben, soll eine "Landkarte" sein, die der Menschheit den Weg in eine nicht-fossile Energiezukunft weist.

Weg in eine neue Energiezukunft

"Wir haben während der dreijährigen Arbeit daran gelernt, dass es mehrere legitime Wege zu diesem Ziel gibt", sagt Edenhofer. Der von den 200 UN-Mitgliedsstaaten des IPCC Anfang Mai in Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate VAE) verabschiedete Bericht soll deshalb vor allem eines: Transparenz schaffen, welche Kosten die einzelnen Energiequellen wirklich verursachen. Eine gut informierte Weltöffentlichkeit müsse sich dann – nach jeweils unterschiedlichen Wertmaßstäben – für den richtigen Weg entscheiden.

Riesiges Potential für die Welt

Solarthermisches Kraftwerk Andasol in Südspanien (Foto: Solarmillennium)
Durch Förderung wurden Kraftwerke in Spanien rentabelBild: Solar Millennium AG, Erlangen

Ottmar Edenhofer, Ko-Vorsitzende der Arbeitsgruppe III des IPCC beschränkt sich deshalb darauf, Optionen aufzuzeigen. Vier eigene Szenarien haben die Forscher entwickelt, als Destillat aus 160 weltweit verfügbaren Ausgangsszenarien. Die zeigen zusammen das noch ungenutzte technische Potential von Biomasse, Wasserkraft, Windkraft und den anderen erneuerbaren Energien auf. Doch ob dieses Potential je gehoben werde, sei auch eine Frage politischer Entscheidungen.

Politische Weichenstellungen erforderlich

"Beinahe 80 Prozent des Weltenergiebedarfs könnte 2050 von erneuerbaren Energien gedeckt werden", resümiert Edenhofer das optimistischste Szenario – nicht ohne ein "Wenn" mit Ausrufezeichen hinterherzuschicken. "Das ist nur dann erreichbar, wenn es durch eine ambitionierte Klimaschutzpolitik begleitet und durch politischen Weichenstellungen forciert wird", sagt Edenhofer, der auch Professor für die Ökonomie des Klimawandels an der Technischen Universität Berlin ist. Und Edenhofers Kollege, Carlo Carraro, Professor für Umweltökonomie der Universität Venedig, macht klar, was das bedeutet. "Wenn es ein klares Preissignal für Kohlendioxid gibt, wenn also klar ist, dass fossile Brennstoffe in Zukunft mehr kosten werden als Erneuerbare, dann gelingt die Transformation."

Infografik Weltenergiebedarf 2008 und Anteil erneuerbarer Energien (DW-Grafik: Olof Pock)

Klimakosten und Atomrisiko einkalkulieren

Doch noch fließen die externen Kosten der fossilen Energieträger, also die Nutzung der Atmosphäre als Kohlendioxid-Deponie, nur marginal in deren Preis mit ein. Es fehlt an einer weltweit verbindlichen Obergrenze für Kohlendioxid-Ausstoß durch ein Nachfolge-Klimaschutzabkommen für das auslaufende Kyoto-Protokoll. Und auch aus dem Reaktorunglück von Fukushima wurde noch nicht abgeleitet, Risikoaufschläge für die Atomenergie zu erheben. Es verwundert daher kaum, dass mehr als die Hälfte der von den Forschern ausgewerteten Szenarien den Anteil der Erneuerbaren am Energiemix auch 2050 noch eher bei unter 30 Prozent verortet.

Deutschland will es vormachen

Besonders skeptische Szenarien sehen, durch eine Renaissance der Kohlenutzung durch Schwellenländer wie China oder Indien, die Erneuerbaren sogar nur bei 15 Prozent in 2050. Aufbruchsstimmung mit vielen Fragezeichen? Für den deutschen Bundesumweltminister Norbert Röttgen, der den IPCC-Wissenschaftlern bei der Veröffentlichung des Berichts am Montag in Berlin (16.5.2011) dankte, kein Grund zur Trübsal: "Das Beste, was die Bundesrepublik Deutschland leisten kann, ist der Nachweis, dass in einem modernen Hochindustrieland diese Transformation auch ökonomisch erfolgreich gemacht werden kann."

Infografik Anteil erneuerbarer Energien in Deutschland (DW-Grafik: Olof Pock)

Erneuerbare sind wettbewerbsfähig

Die globalen Rahmenbedingungen stehen dafür gut. Allein in den vergangenen zwei Jahren beschleunigte sich der Ausbau der erneuerbaren Energien noch einmal rasant, trotz Nachwehen der Weltwirtschaftskrise. Anlagen mit einer Leistung von 150 Gigawatt (150.000 Megawatt) Ökoenergie wurden gebaut. Die Produktionskosten fielen durch einen schnellen Lernprozess, scharfen Wettbewerb und gezielte staatliche Förderung. Manche Energiequelle, wie beispielsweise Strom aus Biomasse, Wasserkraft und teilweise Windkraft, sind bereits heute gleich günstig wie Strom aus Kohle. Noch besser sieht das Verhältnis zwischen Investition und Erzeugungskosten im Wärmemarkt aus: Biomasse, Solarthermie und Erdwärme produzieren Wärme zu ähnlichen Preisen wie Erdöl und Erdgas.

Erneuerbare bremsen Klimawandel

Mann auf Dach mit Sonnenkollektoren (Foto: dpa)
Deutscher Boom dank Gesetz - über 20 Gigawatt SolarkraftBild: picture alliance/dpa

Und konsequent eingesetzt können die Erneuerbaren helfen, den Ausstoß von Treibhausgasen weltweit um bis zu ein Drittel zu senken. Das könnte ein entscheidender Beitrag zur Vermeidung eines gefährlichen Klimawandels darstellen. Doch auch der Einsatz der Erneuerbaren sei nicht ohne Risiko. "Es braucht noch technologischen Fortschritt, damit die Kosten weiter fallen", sagt Edenhofer und gibt zu Bedenken, dass die tatsächlichen Kosten der Systemintegration der Erneuerbaren, also den Ausbau von Stromnetzen und den Umbau der häuslichen Strom- und Wärmeinfrastruktur, noch gar nicht bezifferbar seien. "Und auch die starke Nutzung von Bioenergie birgt Chancen, aber eben auch das Risiko einer unkontrollierten Landnutzung".

Politik muss hier Kontinuität zeigen

Noch habe keine Industrienation ihre Energienetze optimal auf die Bedürfnisse eines dezentralen, nicht-fossilen Energiesystems eingestellt. Weshalb Geoffrey Heal, Professor für politisches Management an der Columbia University in den USA, die politischen Entscheidungsträger "Kontinuität bei der Förderung Erneuerbarer Energien" einfordert. "Es ist beinahe wichtiger, dass die politischen Weichenstellungen dauerhaft und vorhersagbar sind, als dass besonders viel Geld in die Hand genommen wird."

Erneuerbare Energien sind zugleich Entwicklungshilfe

Solaranlage in Nigeria auf dem Goethe-Institut (Foto: DW, Thomas Mösch)
Solaranlage in Nigeria auf dem Goethe-InstitutBild: DW

Jenseits der Industrienationen, so das Fazit des IPCC-Sonderberichts, könnte aber die größte Revolution durch die Erneuerbaren Energien stattfinden. 1,4 Milliarden Menschen weltweit haben derzeit keinen Zugang zu Elektrizität. Über eine Milliarde Menschen heizen noch mit traditioneller Biomasse, mit oftmals schweren gesundheitlichen Folgen wie Vergiftungen oder Verbrennungen. Fallen die Kosten für Solarmodule, Windkraft- oder moderne Bioenergieanlagen weiter, erhalten diese Menschen zum ersten Mal eine Option auf erschwinglichen Strom und können so ihre Entwicklung selbst in die Hand nehmen. Und obwohl sich Ottmar Edenhofer geschworen hat, keine Empfehlungen an die Politik auszusprechen: Erneuerbare Energien auch als Entwicklungshilfe zu sehen, dass würde er den politischen Entscheidungsträgern doch gerne ans Herz legen.

Autor: Richard A. Fuchs
Redaktion: Gero Rueter