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Klimaschutz - muss sein!

11. Dezember 2009

Alle Welt debattiert in diesen Tagen über den Klimawandel und mögliche Gegenmaßnahmen. Ist die Diskussion darüber womöglich übertrieben? Nein, meint Professor Dirk Messner vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik.

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Themenbild Pro und Contra (Grafik: DW)
Ist die Diskussion um den Klimawandel übertrieben?Bild: DW

Die Klimaforschung ist keine abgeschlossene Wissenschaft. Viele Fragen werden mit unterschiedlichsten Methoden untersucht, um immer genauere Antworten zu finden. Zum Beispiel bemühen sich die Klimaforscher darum, Kipp-Punkte im Erdsystem und deren Dynamiken besser beschreiben zu können. Ab welcher globalen Temperaturerhöhung könnte der Amazonas-Regenwald umkippen und austrocknen? Welche anderen Faktoren spielen hierbei eine Rolle? Ab welcher Temperaturerhöhung droht eine irreversible Transformation des Monsun in Asien? Hier argumentieren die Wissenschaftler mit Wahrscheinlichkeiten; an den Modellen wird intensiv gearbeitet.

Solche Fragen sind für die Zukunft der Menschheit von enormer Bedeutung, denn vom Regenwald in Lateinamerika und dem asiatischen Monsun hängen die landwirtschaftlichen Potentiale und die Trinkwasserversorgung ganzer Regionen ab.

Über grundlegenden Sachfragen besteht in der Klimaforschung Einigkeit. Sie werden unisono von Herrn Schulz in Frage gestellt, ohne eine einzige wissenschaftliche Quelle zu nennen, die seine abenteuerlichen Thesen belegen könnte - was zugegebenermaßen, angesichts des Standes der Forschung schwierig wäre. Herr Schulze stellt drei Sachverhalte in Frage:

1. Verursacht der Mensch wirklich den beobachtbaren Klimawandel?

Der UN-Klimarat (IPCC), das Netzwerk der weltweiten Klimaforschung, das den derzeitigen Stand des Wissens der Menschheit zur Dynamik des Klimawandels dokumentiert, hat diese Frage in seinem Report von 2007 beantwortet. Mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit ist die globale Erwärmung menschengemacht, verursacht durch die Emission von Treibhausgasen seit der industriellen Revolution. Angesichts der Folgen der globalen Erwärmung wäre es daher absolut unverantwortlich, den weltweiten Emissionsausstoß nicht zu reduzieren. Sollte Herr Schulz sensationelle neue Erkenntnis besitzen, die von der Klimaforschung noch nicht zur Kenntnis genommen werden konnte, würde ich dazu raten, dies so rasch wie möglich in einer anerkannten Fachzeitschrift zu publizieren.

2. Was ist normales Klima? Es ändert sich fortwährend.

Die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre korrespondiert mit den globalen Temperaturen. In 2008 betrug die CO2-Konzentration in der Atmosphäre 385 parts per million (ppm). Sie liegt damit über 100 ppm über der CO2-Konzentration der letzten Jahrtausende. Die aktuelle CO2-Konzentration ist auf dem höchsten Stand seit mindestens 800.000 Jahren. Dies ist eine Folge der von Menschen emittierten Treibhausgase. Aufgrund dieser hohen und weiter steigenden Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre würde die globale Temperatur bis zum Ende des 21. Jahrhunderts auf 4 bis 6 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau steigen, wenn die Menschheit ihren fossilen Wachstumspfad fortsetzt - ein solcher Temperatursprung in nur 200 Jahren ist eine erdgeschichtlicher Schock.

Die globalen Temperaturen haben sich in der Erdgeschichte immer wieder verändert, aber langsam und über Jahrtausende. In der letzten Eiszeit vor gut 20.000 Jahren war es etwa 4 Grad kälter als heute. Die dann einsetzende Temperaturerhöhung vollzog sich aber über 20.000 Jahre.

3. Der Bezugspunkt vorindustrielle Zeit ist willkürlich. In einer längerfristigen Betrachtung hätten wir kein Klimaproblem.

Die Klimaforschung arbeitet mit sehr langfristigen Zeiträumen. Das Ergebnis: Das letzte Mal, dass es auf der Erde deutlich wärmer war als heute, nämlich etwa 2 bis 3 Grad, liegt drei Millionen Jahre zurück. Der Meeresspiegel lag damals 15 bis 25 Meter über dem heutigen Niveau, da die hohe Temperatur zu geringeren Kontinentaleismassen führte. Sollten der Temperaturanstieg in diesem Jahrhundert um die vier Grad liegen, wäre mit einem Meeresspiegelanstieg von etwa einem Meter bis 2100 zu rechnen; langfristig würde das Grönlandeis dann vollständig abschmelzen und eine Meeresspiegelerhöhung von 7 Metern auslösen. Die Geographie der Erde würde sich verändern. Viele große Küstenstädte müssten rückverlagert werden.

Der vom Menschen verursachte Klimawandel stellt also einen Erdsystemwandel dar. Wir stehen vor einer enormen Herausforderung. Doch die Menschheit kann gegensteuern, indem sie die Treibhausgasausstöße radikal verringert. Die fossil basierte Weltwirtschaft muss in den kommenden Dekaden in eine globale low carbon economy umgebaut werden.

Prof. Dr. Dirk Messner, Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) und stellvertretender Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU)