1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Klimatango mit Gummistiefel

Oliver Pieper16. Dezember 2004

Mit Gummistiefeln am Fuß tanzt es sich schlecht, weiß Oliver Pieper zu berichten. Aber das holprige Accessoire könnte für viele Länder täglicher Begleiter werden, wenn die Meeresspiegel steigen.

https://p.dw.com/p/6014

Tango einmal anders – mit großen schwarzen Gummistiefeln im hellblauen Schwimmbassin. Das junge Tanzpaar zelebriert den argentinischen Nationaltanz vor dem Eingang zum Konferenzgebaude in Buenos Aires gekonnt, aber der eine oder andere Wasserspritzer landet dann aber doch auf dem schwarzen Anzug des Tänzers und dem roten Kleid seiner Dame.

Fußfauler Minister

Die Idee zu dieser Aktion hatte Jennifer Morgan. Für die WWF-Klimadirektorin ist die Aussage klar: Kein Gummistiefel sei groß genug, um die globale Erderwärmung auszuhalten. Ihre Forderung: Die Minister der Industriestaaten müssten neue Maßnahmen zum CO2-Abbau vorstellen, um sicherzugehen, dass dies nicht der letzte Tango hier in Buenos Aires ist.

Auch Jennifer Morgan wollte den Gummistiefel-Tango einmal ausprobieren und hatte sich sogar schon einen Politiker als Tanzpartner ausgeguckt: Jürgen Trittin. Der deutsche Umweltminister bekam dann aber beim Anblick des Schuhwerks im wahrsten Sinne des Wortes kalte Füße. Und so beließ es die WWF-Klimadirektorin dabei, Trittin die schwarzen Treter zu überreichen. Trittin bedankte sich artig und wies darauf hin, dass die Europäische Union für solche Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel jährlich über 400 Millionen Dollar zur Verfügung stelle. Allerdings: Kyoto könne nur ein erster Schritt sein.

Schutzaktion tut Not

Kyoto ist zwar ein ziemlich kleiner Schritt fürs Klima, aber ein großer für die vielen Verhandlungsteilnehmer. Der Bundesumweltminister gab sich jedoch zuversichtlich, dass die Argentinier den Tango auch in Zukunft ohne die schwarzen kniehohen Treter zelebrieren können. Unter anderem auch durch die Anstrengungen Deutschlands, bis 2020 40 Prozent an Treibhausgasen einzusparen – sofern sich die EU auf 30 Prozent Emissionsabbau verständigt. Sehr ehrgeizige Ziele also seitens der deutschen Delegation, die aber nicht ausreichen werden, den globalen Klimawandel zu stoppen.

Verschwinden ganze Länder?

Wissenschaftler haben errechnet, dass der weltweite Ausstoß der sechs gefährlichen Treibhausgase bis Mitte des Jahrhunderts um mehr als die Hälfte zurückgehen muss. Wenn nicht, wird sich die globale Erderwärmung ungebremst fortsetzen. Mit verheerenden Folgen vor allem für die Entwicklungsländer, für die der argentinische Präsident Nestor Kirchner Partei ergriff.

Es sei nicht zu akzeptieren, dass ganze Gesellschaften dazu verurteilt seien, vom Erdboden zu verschwinden, nur weil in irgendeinem anderen Ort der Welt nicht akzeptiert würde, dass immense Anstrengungen notwendig sein, um eben dies zu verhindern. Wer mit diesem anderen Ort auf der Welt gemeint war, war nur unschwer zu interpretieren: Die USA, die allein für ein Viertel der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sind, eine Ratifizierung des Kyoto-Protokolls aber kategorisch ablehnen.

Nestor Kirchner kritisierte die US-amerikanische Position aufs Schärfste. Es sei eine Doppelmoral, einerseits von den Entwicklungsländern zu fordern, dass sie die Zahlungsmodalitäten ihrer Auslandsschulden strikt einhalten müssten, während gleichzeitig die am weitesten entwickelten und mächtigsten Staaten den kleinsten Kompromiss zur Erhaltung des Lebens, das Kyoto-Protokoll, torpedierten. Ansonsten könnte es gerade für viele Inselstaaten in der Tat der letzte Tango sein – nach wissenschaftlichen Schätzungen steigt der Meeresspiegel bei einem Temperaturanstieg von zwei Grad bis Ende des Jahrhunderts um einen halben Meter.