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Knapper Wahlsieg der Opposition in Tschechien

4. Juni 2006

Aus der Parlamentswahl in Tschechien ist die oppositionelle Demokratische Bürgerpartei (ODS) als Sieger hervorgegangen. Wegen einer Patt-Situation der politischen Lager im Parlament wird eine Regierungsbildung schwierig.

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Mirek Topolanek: "Die geplante EU-Verfassung ist ein Haufen Mist"Bild: AP

Das am Samstagabend veröffentlichte amtliche Endergebnis zeigt, dass eine vom konservativen Wahlsieger ODS angestrebte Koalition mit den Christdemokraten (KDU-CSL) und Grünen (SZ) mit 100 von 200 Sitzen keine Mehrheit im neuen Parlament hätte.

Auch auf der linken Seite des politischen Spektrums hätte ein von den Kommunisten (KSCM) ins Spiel gebrachtes Bündnis mit den regierenden Sozialdemokraten (CSSD) ebenfalls 100 Mandate. "Dieses Unentschieden ist das schlimmste aller möglichen Ergebnisse", sagte ein Politologe.

EU-Skeptiker jubeln

Topolanek hatte am Samstagabend seine Demokratische Bürgerpartei (ODS) zum Sieger erklärt. Unter dem Jubel seiner Parteifreunde kündigte der 50-Jährige an, nun Varianten für eine Ablösung der seit acht Jahren regierenden CSSD zu sondieren. Die EU-skeptische ODS kam in den Wahlen auf 35,4 Prozent (81 Sitze). Die KDU-CSL erklärte bereits ihre Bereitschaft zu einer Koalition mit der ODS. Sie konnte 7,2 Prozent gewinnen (13 Sitze). Als dritte Kraft in einer solchen möglichen Koalition gelten die Grünen, die mit 6,3 Prozent erstmals in einem ehemals sozialistischen Land den Sprung ins Abgeordnetenhaus schafften (6 Sitze). Als fünfte Partei im Parlament vertreten sein werden die Kommunisten (KSCM) mit 12,8 Prozent (26 Sitze).

Wahlsieger Mirek Topolanek kündigte für die nächsten Wochen Gespräche mit allen Parteien außer den orthodoxen Kommunisten an. Die CSSD von Ministerpräsident Jiri Paroubek kam auf 32,3 Prozent (74 Sitze). In einem für Tschechien beispiellosen Schritt äußerte der 53-Jährige am Abend öffentlich Zweifel am rechtmäßigen Verlauf der Abstimmung. Er warf der ODS in einer Rede vor, die Wahlen mit einer Schmutzkampagne regelwidrig beeinflusst zu haben. Seine Partei prüfe eine Klage beim Oberverwaltungsgericht, unterstrich Paroubek.

Inzwischen hat er aber die Niederlage seiner Sozialdemokraten (CSSD) erstmals öffentlich eingeräumt. Einer großen Koalition mit der ODS erteilte er eine klare Absage. Angesichts der Niederlage gehe seine Partei nach acht Jahren Regierungszeit in die Opposition, sagte Paroubek.

Reformen versus Status quo

Die Bürgerpartei hatte im Wahlkampf mit umfassenden Reformen geworben, während die Sozialdemokraten den Status quo beibehalten wollten. Paroubek hatte im Wahlkampf einen Ausbau des Sozialstaats versprochen, der aber schwer zu finanzieren sein dürfte. Topolanek wiederum kündigte Reformen an sowie die Einführung einer auf 15 Prozent angesetzten Einheitssteuer, die "zu einem Höchstmaß an Klarheit im Einkommenssteuerrecht führen" soll. Der ODS-Vorsitzende sprach sich auch mehrfach gegen eine Vertiefung der Europäischen Union aus. Den geplanten EU-Verfassungsvertrag nannte er im Wahlkampf "einen Haufen Mist".

Hohe Wahlbeteiligung entscheidend

Die Beteiligung lag mit rund 64,5 Prozent der acht Millionen Wahlberechtigten vergleichsweise hoch. Bis zum Jahr 2002 war die Wahlbeteiligung auf 58 Prozent zurückgegangen. Die hohe Wahlbeteiligung könnte für das Ergebnis entscheidend gewesen sein.

So gaben viele Menschen Proteststimmen gegen angebliche Korruptionsaffären von Paroubek und dessen CSSD ab. Ein Polizeibeamter hatte Paroubek und seinen Innenminister vorgeworfen, Ermittlungen wegen Bestechung und Mordes blockiert zu haben, die sich auf ranghohe Parteimitglieder bezogen. Insgesamt bewarben sich 5000 Kandidaten aus 25 Parteien um die 200 Sitze in der unteren Kammer des Parlaments. (stl)