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Das Beichtstuhlverfahren

17. Oktober 2009

Wenn die Koalitionsverhandlungen sich festfahren sollten, hilft nur noch eins: das Beichtstuhlverfahren. Dabei werden alle so lange ins Gebet genommen, bis eine Einigung zu Stande kommt.

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Horst Seehofer, Angela Merkel und Guido Westerwelle (Foto: AP)
Wollen sich auf "Teufel komm heraus" einigenBild: AP
Ein Beichtstuhl in der barocken Klosterkirche von Irsee (Foto: dpa)
Ein echter Beichtstuhl wird für das Gesprächsverfahren nicht benötigt, er ist nur NamenspatronBild: picture-alliance/ dpa

Das Beichtstuhlverfahren ist eine spezielle Verhandlungstechnik. Sie wird vor allem von der Europäischen Union angewendet, um strittige Fragen zu klären. Wenn es bei einem EU-Gipfel zu tiefer Nachtstunde überhaupt nicht mehr weiter geht, ruft der jeweilige EU-Ratspräsident in den "Beichtstuhl", um vertraulich allerletzte Kompromisslinien auszuloten.

Ins Gebet nehmen

Man spricht von Beichtstuhl, weil alle Beteiligten noch einmal ins Gebet genommen werden. Die Parteichefs von CDU, CSU und FDP - Angela Merkel, Horst Seehofer und Guido Westerwelle - werden diese Methode anwenden, wenn in der großen Koalitionsrunde keine Einigung möglich ist.

Angedacht ist, dass die drei Chefs dann die jeweiligen zwei Vorsitzenden der zuständigen Arbeitsgruppen in den "Beichtstuhl" rufen, damit die schwarz-gelben Koalitionäre bei der drei Tage dauernden Klausur die meisten ihrer Streitpunkte ausräumen können.

Das Zweite Konzil von Lyon

Kardinäle in der Sixtinischen Kapelle (Archivfoto: AP)
Kardinäle in der Sixtinischen Kapelle verhandelten 2005 über den neuen PapstBild: AP

Das Beichtstuhlverfahren geht auf das Zweite Konzil von Lyon zurück. 1272 ließ Papst Gregor X. darüber abstimmen, wie in Zukunft der Papst zu wählen ist. Das Konzil sprach sich für ein Konklave der Kardinäle bei der Papswahl aus, um zu verhindern, dass das höchste Amt der Kirche unbesetzt bleibt.

Genau das war nämlich zwischen 1268 und 1271 der Fall, weil die Kardinäle sich nicht einigen konnten. Das Konklave sollte das ab sofort verhindern. Die Kardinäle wurden in einem Raum in der Lateran-Basilika im Herzen Roms eingeschlossen, abgeschottet von der Außenwelt.

Kam nach drei Tagen keine Einigung zu Stande, wurden die Mahlzeiten gekürzt. Nach acht Tagen gab es dann nur noch Brot, Wasser und Wein, solange bis eine Entscheidung gefällt wurde. Diese Praxis gilt bis heute, wenn auch unter weniger scharfen Bedingungen.

Autor: Sascha Baron

Redaktion: Martin Schrader