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Koalition plant höhere Kassenbeiträge

3. Juli 2010

Die Bundesregierung will die Beiträge für die gesetzlichen Krankenkassen erhöhen. Der Aufschlag soll je zur Hälfte von Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragen werden. Wirtschaft und Sozialverbände üben scharfe Kritik.

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Ein Stethoskop und mehrere Eurogeldscheine (Foto: Bilderbox)
Kassenpatienten sollen bald mehr bezahlen müssenBild: Bilderbox

Für die 50 Millionen Beitragszahler in Deutschland soll die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) in Zukunft teurer werden. Darauf hat sich die Spitzenrunde von Union und FDP am Freitag (02.07.2010) in Berlin unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel grundsätzlich verständigt. Zur Schließung eines von Experten erwarteten Elf-Milliarden-Finanzlochs im kommenden Jahr plant die schwarz-gelbe Koalition eine Anhebung des Beitragssatzes von derzeit 14,9 auf 15,5 Prozent. Das bestätigte CSU-Gesundheitsexperte Max Straubinger den Zeitungen der WAZ-Gruppe. Er sei "sehr zufrieden" mit diesem Ergebnis, für das die CSU hart gekämpft habe.

Gesundheitsminister Philipp Rösler (Foto: AP)
Minister Rösler muss in seinem Etat ein Milliardendefizit ausgleichenBild: AP

Die Mehrbelastung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber soll demnach zu gleichen Teilen - um je 0,3 Prozentpunkte - steigen. Bei den Verhandlungen im Kanzleramt sei zudem ein "ausgewogenes Sparpaket" vereinbart worden, verlautete aus Koalitionskreisen. Auch beim Sozialausgleich für Geringverdiener seien sich die Parteien weitgehend einig geworden. Für sie könnten niedrigere Beitragssätze gelten.

Bekommt die Koalition das Defizit in den Griff?

Seit Wochen streitet die Regierungskoalition darum, wie das erwartete Kassendefizit durch Einsparungen und Mehreinnahmen ausgeglichen werden kann. Vier Milliarden Euro davon soll die Pharmaindustrie mit Preissenkungen bei Arzneimitteln einsparen. Dazu hat die Bundesregierung bereits ein Sparpaket auf den Weg gebracht.

In der Vergangenheit hatte die Koalition im Rahmen ihres Konjunkturpakets den Beitragssatz auf den jetzigen Stand gedrückt. Er liegt einheitlich bei 14,0 Prozent, die Kassenmitglieder müssen aber noch einen Sonderbeitrag von 0,9 Prozent des Bruttolohns bezahlen. Zudem erheben einige Krankenkassen bereits monatliche Zusatzbeiträge von bis zu einem Prozent, weil sie mit dem Geld aus dem Gesundheitsfonds nicht auskommen.

Merkel bestätigt Pläne indirekt

Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstrich im Gespräch mit dem privaten Fernsehsender RTL, man müsse in Deutschland damit leben, dass die Kosten für das Gesundheitssystem stiegen. "Beitrag, Zusatzbeitrag und mehr Transparenz und Wettbewerb und Einsparungen sind die Elemente, aus denen dann auch die Sicherung der Zukunft des Gesundheitssystems für viele Jahre besteht." Eine Sprecherin von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler sagte, man sei bei den Verhandlungen weit gekommen.

Am kommenden Dienstag sollen die Verhandlungen fortgesetzt werden. Bereits dann könnte es eine abschließende Einigung zwischen CDU, CSU und FDP geben. Die Regierungskoalition hat vereinbart, noch vor der Sommerpause, die Mitte Juli beginnt, die Gesundheitsreform auf den Weg zu bringen.

Ein Zivildienstleistender hilft einem Patienten über den Flur eines Krankenhauses (Foto: AP)
Dem Gesundheitswesen in Deutschland fehlen MilliardenBild: AP

Opposition, Arbeitgeber und Sozialverbände protestieren

"Die Einigung ist sehr, sehr nah", kommentierte der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer die Ergebnisse der Spitzenrunde nach den zweitägigen Beratungen. Er sprach von einer "fairen Lastenverteilung".

Kritik kommt von Arbeitgebern, Sozialverbänden und der Opposition. "Wer jetzt höhere Beiträge plant, gefährdet die wirtschaftliche Erholung", warnte ein Sprecher der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände im "Tagesspiegel" vor den Plänen. Statt die Lohnzusatzkosten durch Beitragserhöhungen steigen zu lassen, müsse "endlich der Einstieg in die Entkopplung der Gesundheitskosten vom Arbeitsverhältnis gelingen."

Die Vorsitzende des Sozialverbandes VdK, Ulrike Mascher, kritisierte, steigende Beitragssätze würden Ruheständler besonders hart treffen. "Höhere Kassenbeiträge sind schmerzhaft für die Rentner. Dadurch werde die Renten-Nullrunde zur Minusrunde", sagte Mascher der "Bild"-Zeitung. Die Rentner würden bereits durch Arznei-Zuzahlungen und Selbstbeteiligungen "stark zur Kasse gebeten".

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, sprach von einer "größten gemeinsamen Einfallslosigkeit". Der Allgemeinheit würden die Kosten der schwarz-gelben Regierungsunfähigkeit aufgebürdet. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende favorisiert ein anderes System: Die richtige Antwort auf die Krise im Gesundheitssystem sei eine Bürgerversicherung.

Autor: Marcus Bölz (rtr, dpa)
Redaktion: Ursula Kissel