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Koalitionsgespräche in Prag kommen voran

27. Juni 2002

– Expertenteams beauftragt, in einigen strittigen wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen möglichen Konsens vorzubereiten

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Köln, 27.6.2002, RADIO PRAG, PRAGER ZEITUNG

RADIO PRAG, deutsch, 26.6.2002, Marketa Maurova

Der Vorsitzende der siegreichen Sozialdemokratischen Partei, Vladimir Spidla, der mit der Führung der Koalitionsgespräche beauftragt wurde, informierte am Dienstag (25.6.) Abend Präsident Vaclav Havel über deren bisherigen Verlauf.

"Meiner Einschätzung nach können wir mit gedämpftem Optimismus davon ausgehen, dass wir Ende dieser oder Anfang der kommenden Woche zu einer Einigung über den Programmentwurf der möglichen Koalitionsregierung gelangen."

Präsident Vaclav Havel äußerte seine Zufriedenheit. Die Variante, dass die Sozialdemokraten sowie die im Wahlbündnis Koalice verbündeten Christdemokraten und Unionisten eine Koalitionsregierung stellen, hält er für die beste aller Möglichkeiten. Und zwar trotz der Tatsache, dass dieses Kabinett über die nur denkbar knappe Mehrheit von 101 Stimmen im 200köpfigen Abgeordnetenhaus verfügen würde.

Spidla äußerte sich auch zu den Prioritäten und deutete den Ablauf der Gespräche an:

"Zunächst kommt das Programm, danach die Folgen der Wahlen hinsichtlich des politischen Einflusses und der Organisation des Abgeordnetenhauses, und erst zum Schluss die personelle Zusammensetzung des Kabinetts." (...) (ykk)

PRAGER ZEITUNG, deutsch, 26.6.2002, Uwe Müller

Sichtlich zufrieden mit den laufenden Koalitionsgesprächen zwischen Sozialdemokraten und dem Parteienbündnis Koalice aus Christdemokraten und Freiheitsunion trat Staatspräsident Vaclav Havel am Dienstag (25.6.) vor die Presse. Er habe eben von Vladimir Spidla, dem designierten Premierminister, genauen Bericht über den Stand der Koalitionsgespräche erhalten. Er hoffe, so Havel, dass sich die künftigen Partner einigen werden. Denn alle "weiteren Varianten seien schlimmer." Das Staatsoberhaupt machte damit deutlich, dass er nur ungern einer Minderheitsregierung oder einer anderen Koalition die Regierungsgeschäfte übertragen möchte.

Eines scheint zuzutreffen: Die beiden künftigen Partner sind ernsthaft an einem Gelingen interessiert. Beide gehen in die Verhandlungen mit dem Willen zum Kompromiss. Spidla bestätigte das nach Abschluss der zweiten Gesprächsrunde der Spitzenpolitiker am Montag (24.6.): "(...) Jetzt schon zeigt sich, dass wir auf einer guten Grundlage aufbauen, die einen Konsens in den programmatischen Fragen für die Aufstellung einer künftigen Regierung zulasst", stellte er trocken fest. Aber es wäre nicht Spidla, würde er nicht im gleichen Atemzug einräumen, dass er selbstverständlich nicht ausschließen könne, dass plötzlich "ein prinzipielles und unüberwindbares Hindernis" alles vereiteln könne.

Cyril Svoboda, Vorsitzender der Christdemokraten und einer der Parteichefs der Koalice, bestätigte die Aussagen seines sozialdemokratischen Kollegen. Die Gespräche würden gut vorankommen, eine Einigung zeichne sich ab. Allerdings stehen noch wichtige Punkte aus.

In einigen wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen gehen die Programme der Verhandlungspartner auseinander. Expertengruppen wurden beauftragt, hier einen möglichen Konsens vorzubereiten. So stößt sich der kleinere Koalitionspartner Koalice an der Bestimmung, dass die künftige Regierung den umstrittenen Kauf neuer Kampfflugzeuge durchsetzen solle. Unstimmigkeiten bestehen nach wie vor in steuerlichen Fragen - die Sozialdemokraten tendieren zu einer Steuererhöhung, die Koalice setzt den gegensätzlichen Weg durch. Auch die unterschiedlichen Ansätze für eine Reform des Rentensystems bedürfen einer Konsensfindung.

Bei allem Optimismus befürchten die beiden Partnerparteien der Koalice, dass sie von den Sozialdemokraten in wichtigen Fragen einfach mit den Stimmen der Kommunisten oder gar der Bürgerlichen Demokraten überstimmt werden können. Um das für die Zukunft auszuschließen, verlangen sie von der CSSD klare Spielregeln. Dass die Sozialdemokraten die Kommunisten in Funktionen des Abgeordnetenhauses nominieren wollen, haben die Partner - wohl oder übel - hinnehmen müssen. Gerade über personelle Fragen könnte möglicherweise ein heftigerer Disput ausbrechen.

Doch vorher soll das Programm stehen. Am nächsten Montag (29.6.) werden sich die Parteispitzen dazu erneut treffen und CSSD-Chef Spidla wird im Anschluss wieder Präsident Havel informieren. Sollten sich die Gespräche festfahren und Probleme auftreten, die der Hilfe eines Unabhängigen bedürfen, hat Havel Hilfe angeboten. Für einen derartigen Fall stehe er "stets zur Verfugung." (ykk)