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Koalitionspoker in der Ukraine

12. April 2006

Die Koalitionsbildung in Kiew verzögert sich. Experten meinen: Bei einer Allianz mit Julija Tymoschenko verliert Präsident Juschtschenko Macht - bei einem Bündnis mit Wiktor Janukowytsch die Sympathie seiner Wähler.

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Welche Entscheidung trifft Präsident Wiktor Juschtschenko?Bild: AP

Ukrainische Experten gehen inzwischen davon aus, dass Präsident Wiktor Juschtschenko bei der Bildung einer Koalition im Parlament eine neutrale Position einnehmen wird. Zu diesem Ergebnis kommen Beobachter nach dem ersten Treffen des Staatsoberhaupts mit den fünf Siegern der Parlamentswahlen, das am 11. April, einen Tag nach der offiziellen Bekanntgabe des Wahlergebnisses, stattfand. An dem Treffen nahmen Wiktor Janukowytsch, Führer der Partei der Regionen, Premier Jurij Jechanurow vom Bündnis Unsere Ukraine, Julija Tymoschenko, Führerin des nach ihr benannten Blocks, Oleksandr Moros, Chef der Sozialistischen Partei, sowie Adam Martynjuk von der Kommunistischen Partei teil.

"Juschtschenko in schwieriger Lage"

Der Politikwissenschaftler Andrij Jermolaw meint, der Präsident habe nun für sich festgelegt, welche Koalition er bevorzuge. Aber da die dem Präsidenten nahestehende Partei Unsere Ukraine bei den Wahlen nur drittstärkste Kraft geworden sei, wolle Juschtschenko nun lieber stiller Beobachter der Verhandlungen zwischen den Politikern sein. Jermolaw sagte im Gespräch mit der Deutschen Welle: "Der Präsident ist in eine sehr schwierige Lage geraten. Er muss zwischen einer Konsolidierung des Landes und der Aufrechterhaltung gewisser Beziehungen zu ehemaligen Verbündeten wählen. Ich denke, er wird sich eher für eine neutrale Position entscheiden."

Absichtsprotokoll nur Zeitgewinn?

Ukraine Julia Timoschenko und Oleksandr Moroz
Oleksandr Moros und Julija TymoschenkoBild: AP

Obwohl die ehemaligen Verbündeten des "orange Lagers" unterschiedliche Ansichten über eine künftige Koalition vertreten, erklären sie, die Koalitionsbildung habe bereits begonnen. Der Block Julija Tymoschenko und die Sozialistische Partei bewerten das vom Bündnis Unsere Ukraine am 6. April vorgelegte Absichtsprotokoll über die Bildung einer Koalition als Versuch, Zeit zu gewinnen. Roman Swarytsch, Rechtsexperte des Bündnisses Unsere Ukraine, wies diesen Vorwurf zurück. Er betonte, eine Koalition müsse laut Verfassung innerhalb eines Monats nach der ersten Sitzung des Parlaments gebildet werden, und die erste Sitzung müsse 30 Tage nach der offiziellen Bekanntgabe des Wahlergebnisses stattfinden.

"Ämterverteilung an dritter Stelle"

Im Gespräch mit der Deutschen Welle sagte die Pressesprecherin des Bündnisses Unsere Ukraine, Tetjana Mokridi, die drei Kräfte müssten erst am Verhandlungstisch klären, in welchen Positionen Übereinstimmung herrsche. Sie unterstrich: "Man muss darüber sprechen, was für die Ukraine getan werden muss, wie dies getan werden muss und von wem und auf welchem Posten. Die Frage, wer auf welchen Posten kommt, steht an dritter Stelle." Deswegen habe der Rat der Partei, so Mokridi, noch nicht darüber gesprochen, ob Tymoschenko Premierministerin wird. Dies ist jedoch für den Block Julija Tymoschenko Bedingung.

Unsere Ukraine: Koalition mit Regionen-Partei

Der ukrainische Politiker Juri Jechanurow
Jurij JechanurowBild: DPA

Premierminister Jurij Jechanurow, Bündnis Unsere Ukraine, erklärte unterdessen, seine Partei halte eine Beteiligung der Partei der Regionen an einer Koalitionsbildung für möglich. Die von Wiktor Janukowytsch geführte Partei ist aus den Wahlen als stärkste Kraft hervorgegangen. Jechanurow begründete seine Haltung mit dem Wunsch nach "Einheit des Landes". Er betonte, die meisten Mitglieder des Bündnisses Unsere Ukraine wollten nicht, dass die Partei der Regionen zum Präsidenten in Opposition stehe. Falls keine Einigung mit dem Block Julija Tymoschenko zustande komme, werde die Partei Unsere Ukraine mit anderen Kräften verhandeln, drohte Jechanurow.

Janukowytsch nennt Bedingungen

Ehemaliger Ministerpräsident und Präsidentkandidat von der Ukraine Viktor Janukowitsch
Wiktor JanukowytschBild: DPA

Die Partei der Regionen teilte inzwischen mit, unter welchen Bedingungen für sie eine Koalition mit dem Bündnis Unsere Ukraine möglich wäre. Demnach beansprucht die Partei der Regionen das Amt des Premierministers, des Ersten Vizepremiers sowie des Vizepremiers für Energiefragen. Zuvor hatte das führende Mitglied der Regionen-Partei, Rinat Achmetow erklärt, Posten würden seine Partei nicht interessieren. Der Experte Wolodymyr Nahirnyj meint, Achmetows nachgiebige Haltung missfalle Janukowytsch, was auf Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Partei hindeute.

Aussichtslose Gespräche?

Die derzeit geführten Gespräche über Zusammenarbeit zwischen der Partei der Regionen und dem Bündnis Unsere Ukraine halten Beobachter für aussichtslos. Die ukrainische Staatsmacht, verkörpert in Präsident Juschtschenko und Premier Jechanurow, sei unentschlossen. Der Politologe Wolodymyr Malynkowytsch sagte der Deutschen Welle, einerseits wolle Juschtschenko mit einer Koalition mit der Regionen-Partei die Sympathie seiner Wähler nicht aufs Spiel setzen, andererseits fürchte er eine Allianz mit Tymoschenko, weil er dann an Einfluss verlieren werde.

DW-RADIO/Ukrainisch, 12.4.2006, Fokus Ost-Südost