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Koalitionsstreit nach Arcandor-Insolvenz

10. Juni 2009

Angesichts der Insolvenz des Arcandor-Konzerns ist innerhalb der Bundesregierung ein neuer Streit über das Pro und Contra von Staatshilfen entbrannt. Hauptakteure: die Minister Steinmeier und Guttenberg.

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Minister Steinmeier und Guttenberg im Gewitter (Bildmontage: DW)
Bild: AP / dpa / DW Montage

"Es kann doch nicht sein, dass der Arbeitsminister für Arbeit kämpft und der Wirtschaftsminister für Insolvenzen", kritisierte Vizekanzler und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) den Kurs von Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). "Regierende, denen egal sei, was mit abertausenden Arbeitsplätzen passiere, sollten in ihrem Amtseid noch einmal ihre Pflicht nachlesen, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden", so Steinmeier in der "Bild"-Zeitung vom Mittwoch (10.06.2009).

Insolvenz nicht das Ende

Opelschild mit grünem Ampelmännchen (Foto: AP)
Im Fall Opel gab die Regierung noch grünes LichtBild: AP

Wie zuvor schon Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte auch Guttenberg nochmals die Entscheidung, Arcandor im Gegensatz zum angeschlagenen Autobauer Opel keine staatliche Hilfe zu gewähren. "Wenn Eigentümer und Gläubiger nicht bereit sind, Risiken zu übernehmen, kann man diese doch nicht dem Steuerzahler aufbürden", betonte Guttenberg. Im Übrigen sei eine Insolvenz nicht das Ende aller Dinge, sondern könne den Boden für einen erfolgreichen Neuanfang bereiten. Wie es heißt, will sich der Wirtschaftsminister bereits an diesem Mittwoch mit Arbeitnehmervertretern des Arcandor-Konzerns treffen, um über die Rettung möglichst vieler Arbeitsplätze bei dem Handels- und Touristikkonzern zu beraten.

"Nicht fair geprüft"

Michael Sommer (Foto: AP)
Sommer: Staat muss auch Arcandor helfenBild: AP

Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, monierte: "Es kann nicht sein, dass auf der einen Seite maroden Banken geholfen wird, aber auf der anderen Seite Handelskonzernen oder Industriebetrieben nicht." Die stellvertretende Chefin der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Margret Mönig-Raane, vertrat die Ansicht, Guttenberg sei schon bei den Staatshilfen für Opel skeptisch gewesen und habe dann "den nächsten großen Fall schon vorher entschieden und nicht fair geprüft". Eine solche "politische Voreinstellung" dürfe es nicht geben, sagte Mönig-Raane, die auch im Aufsichtsrat von Arcandor sitzt.

"Ziemlich zuversichtlich"

Eckhard Cordes (Foto: AP)
Cordes: Arcandor kein "Schnäppchen"Bild: AP

Der Chef des Handelsriesen Metro, Eckhard Cordes, bekräftigte unterdessen das Interesse seines Konzerns an den zu Arcandor gehörenden Karstadt-Warenhäusern. "Wir wollen einen starken Kaufhauskonzern bauen", sagte Cordes im deutschen Fernsehen. Und er glaube sogar, "dass es die Möglichkeit geben könnte, ein solches neues Unternehmen an die Börse zu bringen".

Auch nach der Insolvenz betrachte man Karstadt nicht als Schnäppchen, sondern werde "einen fairen Kaufpreis zahlen", erklärte der Metro-Chef. Nach seinen Worten sollen nach einer möglichen Zusammenlegung von Kaufhof (Metro) und Karstadt von den dann insgesamt gut 200 Warenhäusern etwa 160 erhalten bleiben. Er sei "ziemlich zuversichtlich", dass das Kartellamt den Zusammenschluss genehmigen werde, meinte Cordes. Über dieses Thema habe es bereits Vorgespräche gegeben.

Der Deutsche Städtetag äußerte die Hoffnung, dass trotz des Insolvenzantrags von Arcandor "möglichst viele der Kaufhäuser erhalten bleiben und Arbeitsplätze in einem sehr großen Umfang gerettet werden können". Die mehr als 70 betroffenen Städte hätten "ein starkes Interesse an Lösungen für die Beschäftigten und daran, dass die Warenhäuser auch unter veränderten Vorzeichen weiter zu attraktiven Innenstädten beitragen können", sagte Städtetagspräsidentin Petra Roth der "Passauer Neuen Presse".

Geschäfte trotz Pleite

Karstadt-Schriftzug mit rotem Ampelmännchen (Foto: AP)
Kein Geld vom Staat für den Karstadt-MutterkonzernBild: AP

Nach wochenlangem Kampf um eine Rettung hatte Arcandor am Dienstag beim Amtsgericht Essen Antrag auf Insolvenz gestellt. Dem Konzern drohte angesichts auslaufender Kredite in Höhe von 710 Millionen Euro die Zahlungsunfähigkeit. Arcandor beantragte auch für Karstadt und seine Versandhandelstochter Primondo - dazu gehört auch die bekannte Marke "Quelle" - Gläubigerschutz. Betroffen sind damit 43.000 Mitarbeiter. Das Geschäft in den Karstadt-Warenhäusern und den anderen Arcandor-Unternehmen soll jedoch vorerst normal weiterlaufen. (wa/kle/dpa/afp/ap/rtr)