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SPD kündigt härte Gangart an

Richard A. Fuchs18. November 2013

Zwei Wochen bleiben Union und SPD, um ein Regierungsbündnis zu schließen. Zum Unmut der Union kündigt die SPD eine härtere Gangart an. Und dann sollen auch noch die SPD-Mitglieder den Koalitionsvertrag billigen.

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Vertreter von Union und SPD an einem langen Tisch (Foto: Hannibal/dpa pixel)
Bild: picture-alliance/dpa

Mehr Rot, weniger Schwarz: Seit dem Bundesparteitag der SPD in Leipzig vergangene Woche scheint das die Formel zu sein, wie sich die Sozialdemokraten (Rot) ein Regierungsbündnis mit der Union (Schwarz) vorstellen können. Eine Große Koalition gebe es nur dann, polterte SPD-Parteichef Sigmar Gabriel auf dem Parteitreffen, wenn der Vertrag eine sozialdemokratische Handschrift trage. "Wir werden", kündigte der mit vergleichsweise schlechtem Ergebnis ins Amt wiedergewählte SPD-Parteichef an, "keinen Koalitionsvertrag vorlegen, der unklar ist".

Sozialdemokraten kündigen härtere Gangart bei Verhandlungen an

Gabriel nannte besonders einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro und die Einführung einer doppelten Staatsbürgerschaft als Bedingungen für eine Große Koalition. Aber auch die Regulierung von Leiharbeit und die abschlagsfreie Rente mit 63 nach 45 Arbeitsjahren betrachtet die SPD-Parteispitze als Voraussetzung für jedwede Allianz mit der Union. "Wir sind nicht zum Nulltarif zu haben", nicht einmal "für ein paar Ministerposten", so Gabriel an die Adresse der konservativen Parteien unter der Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Sigmar Gabriel (Foto: Hannibal/dpa)
Will beim Verhandeln hart bleiben: Sigmar GabrielBild: picture-alliance/dpa

Eine Rhetorik, die viele Konservative mehr und mehr erzürnt. CDU-Spitzenpolitiker warnen die SPD davor, mit überzogenen Forderungen das Projekt 'Große Koalition' bereits jetzt zum Platzen zu bringen. Die SPD müsse aufhören, sagte der amtierende Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) am Montag (18.11.2013) in Berlin, "ständig Bestellungen abzugeben, die die Menschen in Deutschland bezahlen müssen". Für gemeinsame Kompromisse bräuchte es Realismus und Augenmaß, sagte der Minister, der für sein Verhandlungsgeschick in der Vergangenheit parteiübergreifend Lob und Anerkennung bekommen hatte. Für die Union gehe es darum, einen Koalitionsvertrag zu vereinbaren, der keine neuen Schulden mache, und auch zu keinen Steuererhöhungen führe. "Das sind unsere harten Punkte", sagte Altmaier. "Dafür sind wir gewählt, und dafür werden wir kämpfen." CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt setzte im verbalen Scharmützel sogar noch eins drauf. "Es wird keinen sozialdemokratischen Koalitionsvertrag geben", gab Dobrindt seinen Verhandlungspartnern zu verstehen.

SPD und Linkspartei: in Zukunft eine echte Option fürs politische Spiel (Foto: Fotolia/M. Schuppich)
SPD und Linkspartei: in Zukunft eine echte Option fürs politische SpielBild: Fotolia/M. Schuppich

Linksöffnung der SPD irritiert Konservative

Doch nicht nur ein immer länger werdender Forderungskatalog der Genossen bringt die Konservativen derzeit in Rage. Auch die Öffnung der SPD hin zur Linkspartei erhitzt deren Gemüter. Auf ihrem Bundesparteitag hatte die Partei beschlossen, künftig keine Koalitionsoptionen mehr von vorneherein auszuschließen. Das öffnet den Weg für Bündnisse zwischen Sozialdemokraten, Grünen und Linkspartei (auch als Rot - Rot - Grün bezeichnet), wie sie bisher auf Bundesebene undenkbar waren. Nur Bündnisse mit rechtsextremen Parteien wollen die Genossen auch in Zukunft ausschließen. Katja Kipping, Parteivorsitzende der Linkspartei, nannte die Avance der SPD einen durchschaubaren Schachzug: "Der Zeitpunkt der Öffnung nach Links legt den Verdacht nahe, dass es reine Taktik ist."

Michael Fuchs, zweiter Fraktionsvorsitzender der Union, stellte im Interview mit dem Deutschlandfunk die Koalitionsfähigkeit der Genossen in Frage. Sich während der Verhandlungen mit der Union für alternative Koalitionsoptionen auszusprechen, verkenne die tatsächlichen Machtverhältnisse nach der Bundestagswahl. "Wir haben fast 42 Prozent, die SPD gerade mal ein bisschen mehr als 25“, sagte Fuchs. Das müsse sich natürlich auch im Koalitionsergebnis widerspiegeln. "Es kann nicht sein, dass nachher die Union der Wahlverlierer in der Koalition ist." Zuletzt deutete sich aber genau das an, denn zentrale Kompromisse gab es in den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD immer dann, wenn die Konservativen bei Streitthemen auf die Linie der Sozialdemokraten einschwenkten. So scheint eine Einführung eines flächendeckenden Mindestlohnes inzwischen für beide Parteien denkbar, was eine zentrale SPD-Forderung erfüllt. Union und SPD verständigten sich zudem im Grundsatz auf die Einführung einer Frauenquote für Aufsichtsräte bei börsennotierten Unternehmen - ebenfalls eine langjährige Forderung der SPD. Für Michael Fuchs, Vertreter des Wirtschaftsflügels der Unionsparteien, ein schleichender Verlust des politischen Markenkerns der Unions-Parteien.

Michael Fuchs (Foto: Karlheinz Schindler)
Sieht bittere Kompromisse auf die CDU zurollen: Michael FuchsBild: picture-alliance/dpa

Spekulationen über Scheitern der Verhandlungen nehmen zu

Viele Beobachter gehen davon aus, dass der schrille Umgangston zwischen Union und SPD auch mit der bevorstehenden SPD-Mitgliederbefragung zusammenhängt. Die SPD-Führung hatte angekündigt, dass die rund 470.000 Parteimitglieder dem Verhandlungsergebnis mehrheitlich erst zustimmen müssten, damit die SPD in die Regierung eintritt. Ein politisches Druckmittel gegenüber der Union, sich möglichst vielen SPD-Forderungen anzuschließen, um letztlich eine skeptische SPD-Parteibasis von dem ungeliebten Zweckbündnis mit der Union zu überzeugen. Bei der CDU soll - parallel zum SPD-Mitgliederentscheid am 9.Dezember - nur die Unions-Führungsspitze den Koalitionsvertrag absegnen. Damit könnte der SPD-Mitgliederentscheid zur entscheidenden Hürde für die schwarz-rote Koalition werden, ein Scheitern nicht ausgeschlossen. Kein Wunder, dass unter Journalisten und Beobachtern in der Hauptstadt lebhaft über mögliche Alternativszenarien spekuliert wird. Die Grünen-Chefin Simone Peter sieht im Falle eines Scheiterns der Regierungsbildung von Union und SPD alle Parteien gefragt. "Die Frage Schwarz-Grün stellt sich derzeit nicht", antwortete sie auf Gerüchte, die Grünen könnten eine Neuauflage von Verhandlungen mit der Union anstreben. Längerfristig wollten die Grünen auch eine rot-rot-grüne Machtoption, sagte Peter. "Wird sind dann auch gefragt, mit SPD und Linkspartei zu sprechen."

Noch kein Fahrplan für Große Koalition

Am Dienstag (19.11.2013) soll die nächste große Koalitionsrunde im SPD-Hauptquartier des Willy-Brandt-Hauses in Berlin versuchen, Rot und Schwarz näher zusammenzubringen. CDU-Wirtschaftsfachmann Michael Fuchs bereitete die Öffentlichkeit unterdessen schon einmal darauf vor, dass sich im zukünftigen Koalitionsvertrag noch mehr rote und noch weniger schwarze Positionen wiederfinden könnten: "Wir wissen, dass wir bei den Koalitionsverhandlungen Kompromisse machen müssen - und manche davon sind bitter."