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Schwarz-Gelbe Gespräche im Glaskasten

5. Oktober 2009

Gut eine Woche nach ihrem Sieg bei der Bundestagswahl haben in Berlin die konservative Unionsfraktion aus CDU und CSU und die liberalen Freien Demokraten ihre Koalitionsverhandlungen aufgenommen.

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Symbolbild: Fähnchen der CDU und der FDP
Bild: dpa
Die Parteivorsitzenden Horst Seehofer (CSU), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Guido Westerwelle (FDP) (Foto: AP)
Bild: AP

Kameraobjektive und Mikrofone waren gut postiert, die rund 100 wartenden Journalisten schon ungeduldig, als am Montagnachmittag (05.10.2009) die drei Verhandlungsführer in der Hiroshimastraße 12 im Berliner Diplomaten-Viertel vor die Presse traten. In der Mitte Bundeskanzlerin Angela Merkel, die für die konservative CDU-Fraktion die Verhandlungen dirigiert. Direkt an ihrer Seite der Chef der bayrischen Schwesterpartei CSU Horst Seehofer. Etwas entfernt, betont lässig, der Verhandlungsführer der Liberalen, Guido Westerwelle. Der Ort des Geschehens ist ein 2002 eröffneter Prunkbau aus Glas, Holz und Stahl, in dem sich Angela Merkel sichtlich wohl fühlte. "Wir werden die Koalitionsverhandlungen in der nordrheinwestfälischen Landesvertretung durchführen und bedanken uns sehr für die Gastfreundschaft", sagte sie gut gelaunt.

Verhandlungen sollen bis Ende Oktober abgeschlossen werden

Die NRW-Landesvertetung in Berlin (Foto: dpa)
Bild: dpa

In dem Gebäude residiert die Vertretung des bevölkerungsreichsten deutschen Bundeslandes in der Hauptstadt, und zwar betont modern. Den Gebäudekern umgibt eine Glashülle, dahinter sind rautenförmige Holzbögen eingearbeitet; Beides zusammen wirkt, als ob ein geflochtener Korb in einem Glaskäfig gefangen sei. Und tatsächlich sitzen die schwarz-gelben Unterhändler jetzt so lange in diesem durchsichtigen Glaskäfig fest, Sitzung um Sitzung, bis der Koalitionsvertrag unterschriftsreif ist.

Das könnte vielleicht schon am 27.Oktober der Fall sein, pünktlich zur ersten Tagung des neu gewählten Bundestages. Doch genau vorhersagen kann dies im Moment niemand. FDP-Chef Guido Westerwelle ist aber guter Dinge, dass in den kommenden Tagen rasch Fortschritte sichtbar werden könnten. "Jede neue Regierung ist ein neuer Anfang", sagte er an die Adresse von Angela Merkel, die vor den Verhandlungen bestimmte Entscheidungen der Großen Koalition mehrfach als nicht verhandelbar deklariert hatte. Darunter etwa die vielfach gescholtene Neujustierung des Gesundheitswesens durch die Einführung des Gesundheitsfonds. "Wir wollen mehr Mut zur Zukunft schaffen, und wir wollen dafür sorgen, dass wir in fairen konstruktiven Gesprächen ein gutes gemeinsames Ergebnis schaffen“, so Merkel.

In NRW-Landesvertretungen wurden schon viele Koalitionen geschlossen

Es könnte ein gutes Omen sein, dass die Verhandlungen ausgerechnet in der nordrhein-westfälischen Landesvertretung stattfinden. Denn die Hauptstadt-Vertretung des größten Bundeslandes war schon mehrfach Gastgeber von Gesprächen über Regierungskoalitionen, von Beratungen über Posten und Programme. So 1969 - damals noch in Bonn – als der Sozialdemokrat Willy Brand und der liberale Walter Scheel in der NRW-Vertretung ihr sozial-liberales Bündnis schlossen. Und auch 1998 wurde der rot-grüne Koalitionsvertrag zwischen Gerhard Schröder und Joschka Fischer dort ausgehandelt. Jetzt also eine erfolgreiche schwarz-gelbe Neuauflage?

Die Vorsitzende der CDU, Bundeskanzlerin Angela Merkel, flankiert vom Vorsitzenden der CSU, Horst Seehofer (re.) und vom Vorsitzenden der FDP, Guido Westerwelle (li.) (Foto: AP)
Bild: AP

Bis das Ziel erreicht ist, wird in den zehn Arbeitsgruppen der Unterhändler noch so mancher Streitpunkt ausgeräumt werden müssen. Nicht ausgeschlossen, dass es bei so komplexen Verhandlungen auch zu dem einen oder anderen handwerklichen Fehler kommen mag. Ähnlich wie bei der Konstruktion des Verhandlungsortes - denn die nordrheinwestfälische Repräsentanz bezaubert zwar durch ihre Optik, ärgert aber ihre Besitzer. Schwere Baumängel, hohe Reparaturkosten und ein rapider Wertverfall sind die Kehrseite des Prunkbaus. Der schwarz-gelben Koalition bleiben nur wenige Wochen, solche Konstruktionsfehler zu vermeiden.

Autor: Richard A. Fuchs
Redaktion: Hartmut Lüning