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Kochen gegen Frankreich auf La Réunion

23. Juli 2009

Alle Welt liebt die französische Küche? Nein! Auf einer Insel regt sich Widerstand gegen die Vormacht der Franzosen – auf La Réunion, das zu Frankreich gehört und ein Stück EU vor der Küste Ostafrikas repräsentiert.

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Gastronom Edward Louiso vor seinem Restaurant "Chez Doudou" auf La Réunion (Foto: Werner Bloch)
Der Küchenchef vor seinem Restaurant "Chez Doudou"Bild: Werner Bloch

140 Kilogramm weiche Körpermasse, ein landesüblicher Strohhut mit blauem Band, darunter das freundlichste Gesicht zwischen Madagaskar und den Malediven: das ist Jean Edward Louiso, genannt Doudou. Aber der freundliche Küchenchef hat seine strengen Prinzipien: "Ich kann nur eines: kochen. Deshalb ist das meine Leidenschaft. Aber wir wollen nicht, dass hier französisch gekocht wird – oder dass es immer mehr Fast Food gibt. Deshalb haben wir einen Verein gegründet, der die Kultur von La Réunion verteidigt. Ich bin gegen alles, was von außen kommt. Wir bieten nur an, was von unserer Insel stammt. Es geht mir nicht ums Geld. Ich muss einfach meine Kultur verteidigen."

Ananas-Saft statt Cola

Einheimische Speisen der Insel La Réunion im Restaurant "Chez Doudou" wie "Carri" oder "Rougail" (Foto: Werner Bloch)
Einheimische Speisen der Insel La RéunionBild: Werner Bloch

Bei Doudou gibt es zum Frühstück nicht Croissants, sondern den traditionellen gebratenen Reis der Insel. Und statt Cola verkauft er seine berühmten Säfte aus Bananen, Orangen, Ananas und Gewürzen aus La Réunion. Jeder, der den schönsten Ausblick auf der Vulkaninsel La Réunion genießen will, die atemberaubende Sicht vom Kraterrand Pic du Maidou, kommt hier vorbei: am Restaurant "Chez Doudou". Ein Holzbrett präzisiert, worum es geht: "Cuisine réunionnaise", lokale Küche aus La Réunion. Das Lokal selbst: eine Ort der Ursprünglichkeit.

Die holzgetäfelte Hütte ist geräumig, es gibt blau geblümte Tischdecken, auf denen lokale Gemüse und Obstsorten liegen, dazu offenes Kaminfeuer. Eine Gasküche gibt es auch, aber über die ist Doudou gar nicht glücklich. "Die französischen Behörden haben uns diese Küche aufgezwungen. Wir brauchen sie nicht, denn die Gerichte von La Réunion kocht man auf offenem Holzfeuer. So bringen mich die französischen Gesetze dazu, etwas zu tun, was nicht zu meiner Kultur gehört."

In der Bar des Restaurants "Chez Doudou" auf La Réunion (Foto: Werner Bloch)
Nur einheimische Produkte kommen hier auf den TischBild: Werner Bloch

Respekt vor den Religionen - auch beim Essen

Aber zwingen lässt sich der Chef de Cuisine grundsätzlich zu nichts, und so wird eben heimlich auf dem Holzfeuer gekocht. Man spürt schon: der Mann steht auf Kriegsfuß mit dem französischen Staat. "Jedes Volk, sagt ein französisches Sprichwort, hat seine eigene Religion, und alle sollten einander respektieren. Aber die weißen Franzosen heißen hier immer noch 'Z’Oreilles', das ist kreolisch für 'Ohren'." Der Name komme daher, dass die Kolonialherren früher den entlaufenen Sklaven die Ohren abschnitten, erzählt Doudou weiter. "Es ist nicht so, dass wir alles Französische ablehnen. Die Weißen haben eine gute Schulbildung mit hierhergebracht. Man respektiert sie, aber natürlich gibt es immer wieder Reibungspunkte."

Und dazu zählt das Essen. Auf La Réunion verspeist man vor allem "Carri": Fleisch oder Fisch. Beides wird in einer scharfen Soße gegart, dazu reicht man "Rougail" – klein geschnittene Tomaten, Combawas (das sind kleine verschrumpelte Zitronen) und grüne Mangos, mit gehackten Zwiebeln und feuerscharfen Chili-Schoten. Schwein und Rind werden bei Doudou nicht gekocht, aus Respekt vor den verschiedenen Religionen, den vielen Hindus und Moslems, die auch in La Réunions multikultureller Gesellschaft leben.

Bedrohung auch durch Fast-Food

Diese Küche sei gleichsam das Herz von La Réunion und sei doppelt bedroht. Zum einen von den Fast-Food-Exzessen und zum anderen von der elitären französischen Luxusküche in den Restaurants, so Doudou. Gegen beide zieht der Chefkoch gleichermaßen zu Felde. "Unten in St. Gilles werden jeden Tag 13 Lastwagen mit Pizza angeliefert. Da gibt es jeden Tag Pizza und Schisch Kebab. Aber es muss etwas geschehen. Wenn wir damit nicht aufhören, werden unsere Kinder unsere Küche niemals kennenlernen", so seine Befürchtungen und deshalb engagiert er sich: "Ich trete zweimal pro Woche im Radio auf und erzähle von unserer Kultur und von der Küche. Damit nicht alles französisch wird und damit wir nicht McDonald werden."

DW-Reporter Werner Bloch mit dem Gastronom Edward Louiso in dessen Restraunt "Chez Doudou"
Macht nicht nur am Herd eine gute Figur: Küchenchef DoudouBild: Werner Bloch

Importe kommen nicht in den Kochtopf

Doudou hilft der alten Esskultur mit einer Art Reinheitsgebot auf die Sprünge. Bei ihm werden ausschließlich Gemüse angeboten, die auf La Réunion selbst wachsen wie das Patol und das Pangaoui, das man zwischenzeitlich vergessen hatte. Importe kommen ihm nicht in den Topf. Die entsprechenden Kräuter zieht er selbst im Garten hinter dem Restaurant. "Wir haben eine Assoziation gegründet, die auf nachhaltigen Tourismus setzt, die sogenannten Villages créols, die kreolischen Dörfer. Nicht nur Restaurants gehören dazu, sondern auch Stickereien und andere Handwerksbetriebe – alles hier ist lokal. Selbst unser Bier, das Dodo-Bier. Oder unser Café, der mit Vanille gewürzt wird."

Am Ende der Mahlzeit greift Doudou zur Trommel, sein Sohn spielt Gitarre, und dann wird die inoffizielle Nationalhymne von La Réunion angestimmt: P’tite fleur fanee. Werbung macht der Küchenchef keine für sich, im Gegenteil: Er hat die Restaurantführer gebeten, ihn aus dem Programm zu nehmen. Und auch im Internet möchte er nicht vertreten sein. Wer kommen will, soll kommen, meint Doudou. Er wisse ja, was sein Essen wert sei.

Autor: Werner Bloch

Redaktion: Stephanie Gebert