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Kohl verliert - für's erste

17. September 2003

Wende im Stasi-Akten-Streit: Die Akten von Alt-Kanzler Kohl dürfen "grundsätzlich" herausgegeben werden. Das hat das Berliner Verwaltungsgericht entschieden.

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Helmut Kohls Stasi-Akten sind nur noch "ein bisschen" unter VerschlussBild: AP

"Ich bin sehr froh, dass ein Dilemma aufgelöst wurde - das Dilemma zwischen den Ansprüchen von Helmut Kohl und den Ansprüchen der Antragsteller, die die Akten einsehen wollten", erklärte die Bundesbeauftragte für die Unterlagen der DDR-Staatssicherheit, Marianne Birthler.

Für die Hüterin der Stasi-Akten ist dies der erste gerichtliche Teilerfolg in dem seit Jahren andauernden Tauziehen, ob Akten über den Alt-Kanzler an Journalisten oder Wissenschaftler weitergegeben werden dürfen. Aber trotzdem bleiben die geheimnisumwitterten Papiere zunächst unter Verschluss, wie der Direktor der Stasi-Unterlagenbehörde, Hans Altendorf, erklärte. Solange das Verfahren nicht endgültig entschieden sei, werde es keine Akten-Herausgabe geben.

Urteil nach Gesetzesänderung

Mit der Entscheidung, Kohls Stasi-Akten nicht mehr mit einem generellen Herausgabe-Verbot zu belegen, gab das Gericht am Mittwoch (17.9.2003) der Klage der "Birthler-Behörde" (früher "Gauck-Behörde") statt. Die Aufarbeitung der Stasi-Strukturen sei ein legitimes Ziel, heißt es in dem Urteil. Daher sei die Verwendung von Daten über Personen der Zeitgeschichte "angemessen und zumutbar". Erst die weitgehende Offenlegung von Akten gebe ein zutreffendes Bild über die Arbeit der DDR-Staatssicherheit ab.

Ohnehin sehe das Gesetz vor, keine privaten Informationen weiterzugeben, sondern nur Papiere, die die Amtsausübung oder zeitgeschichtliche Rolle beträfen. 2002 hatte Kohl ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts erstritten, nach dem Stasi-Papiere über ihn komplett unter Verschluss bleiben mussten. Nach dieser schweren Schlappe für die Birthler-Behörde war das Stasi-Unterlagengesetz geändert worden, um Informationen über Personen der Zeitgeschichte wieder weitergeben zu dürfen. Der Passus, wonach Akten über Betroffenen oder Dritte unter Verschluss bleiben mussten, wurde gestrichen.

Revision angekündigt

Altkanzler Kohls Anwalt Stephan Holthoff-Pförtner bedauerte die Entscheidung und kündigte Rechtsmittel gegen das Urteil an. Deshalb bleiben die Akten zunächst weiter unter Verschluss. Kohl hält das neue Stasi-Unterlagengesetz, nach welchem jetzt gegen ihn entschieden wurde, für verfassungswidrig. Er will den Fall vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe bringen.

Aber erst einmal führt der Weg durch die Verwaltungsgerichte. So oder so dürften die Stasi-Unterlagen über Kohl die Gerichte wieder für einige Zeit beschäftigt halten. Der verbissen geführte Streit zwischen Kohl und der Birthler-Behörde ist auch mit dem aktuellen Urteil noch lange nicht zu Ende. (arn)