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Weltenergiebericht BP

Sabine Kinkartz20. Juni 2012

Trotz Wirtschaftskrise: Der weltweite Energieverbrauch ist auch im letzten Jahr gestiegen. Das geht aus dem Welt-Energiebericht des Ölkonzerns BP hervor.

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Ein Brocken Kohle in der Hand eines Menschen. REUTERS/Dwi Oblo
Bild: Reuters

Wetterturbulenzen, Naturkatastrophen, politischen Umwälzungen – 2011 war alles andere als ein langweiliges und ereignisloses Jahr. Das hatte auch Auswirkungen auf die weltweite Energieproduktion und den Verbrauch, wie Christof Rühl, Chefvolkswirt des Öl- und Gaskonzerns BP feststellt. Die politischen Unruhen und die Gewalt in Teilen der arabischen Welt hätten vor allem in Libyen zu relativ umfangreichen Ausfällen in der Öl- und Gasproduktion geführt. "Rechnet man alle Ausfälle zusammen, kommt man auf einen Gesamtverlust von 72 Millionen Tonnen Öl-Äquivalent, das entspricht etwas mehr als elf Prozent des Erdölverbrauchs in der Europäischen Union", so Rühl.

Hinzu kamen die Folgen der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima. Dadurch verringerte sich die weltweite Energieproduktion insgesamt um eine Größe, die mit 115 Millionen Tonnen Öl gleichzusetzen ist. Trotzdem – und obwohl der Ölpreis den höchsten jemals notierten Wert erreichte – stieg der weltweite Energieverbrauch im vergangenen Jahr um 2,5 Prozent. Auch das Wirtschaftswachstum zeigte sich unbeeindruckt.

Weniger Kernenergie 2011 (DW-Grafik: Peter Steinmetz)

Die Märkte reagieren flexibel

Die Märkte hätten den Ausfall weitgehend abgefedert, analysiert Christof Rühl. So weitete die OPEC, allen voran Saudi-Arabien, ihre Rohöl-Produktion deutlich aus. In Japan wurde erheblich mehr Flüssiggas verbraucht. Nach Europa, wo der Gasverbrauch um zehn Prozent zurückging, wurde Kohle aus den USA importiert, die dort nicht mehr gebraucht wurde, weil immer mehr sogenanntes Schiefer-Gas produziert wird. "Die Flexibilität der Märkte spielt eine immer größere Rolle. Das zeigt sich in der Fähigkeit, die Produktion zu steigern, einen Energieträger durch einen anderen zu ersetzen, aber auch Handelsströme schnell umzuleiten." Das alles habe entscheidend zu den relativ reibungslosen Anpassungen beigetragen, meint Rühl.

Reibungslos allerdings nur im Sinne der Versorgungssicherheit. Für den Klimawandel hat es geradezu verheerende Folgen, wenn Gas und Öl zunehmend durch vergleichsweise billige Kohle aus den USA und Kolumbien ersetzt werden. Um drei Prozent ist der weltweite CO2-Ausstoss im vergangenen Jahr gestiegen. Ein Wert, der Regine Günther vom WWF Deutschland entsetzt. "Das ist alarmierend bis katastrophal. Wir sehen diese monströse Zahl, drei Prozent höhere energiebedingte CO2-Emissionen in einem Jahr, das ist ja gigantisch."

Erinnert sich noch jemand an das Kyoto-Protokoll?

Ottmar Edenhofer, Chefökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, überrascht der Anstieg der Emissionen allerdings nicht. Er werde sich sogar noch fortsetzen. "Wir stehen am Beginn der größten Kohle-Renaissance in der Menschheitsgeschichte", sagt Edenhofer voraus. Der Anteil der Kohle werde weiter steigen, die derzeitige Entwicklung sei nur der Anfang. "Wir haben die größten Wachstumsraten bei den Emissionen, und wenn wir uns die Daten anschauen, dann ist es so, als hätte es nie eine Klimakonferenz gegeben."

Nimmt man das heutige Produktionsniveau zum Maßstab, dann werden die Kohlereserven noch mehr als einhundert Jahre ausreichen. Bei Erdöl sind es 54 Jahre, bei Erdgas 64 Jahre. Die Welt habe so viele fossile und billige Energieträger im Boden, dass über die Knappheit fossiler Energieträger im 21. Jahrhundert nicht diskutiert werden müsse, sagt Ottmar Edenhofer.

Protestschild gegen das sogenannte Fracking. (Foto:Vadim Ghirda/AP/dapd)
Bei der Gewinnung von Gas aus tief liegendem Gestein werden große Mengen Chemikalien in den Boden gepumptBild: dapd

Wo bleiben die erneuerbaren Energien?

Auch Preissteigerungen und regionale Engpässe würden an der Situation nichts ändern. Im Gegenteil. Je mehr das Öl koste, um so mehr Kohle werde verbraucht. Entsprechend stellt Edenhofer Fragen: "Haben wir international politisch die Kraft, den Deponie-Raum der Atmosphäre für knapp zu erklären?"  Denn der reiche für die Energieträger, die noch im Boden sind, auf jeden Fall nicht aus. Daraus ergebe sich zum anderen, "dass wir einen weltweiten CO2-Preis brauchen, weil wir sonst der Verlagerung, die sich durch die Gas-Revolution, die sich gerade abspielt, in keiner Weise Herr werden."

Fast die Hälfte des weltweiten Anstiegs in der Gasproduktion ging 2011 auf die Förderung von Schiefer-Gas in Nordamerika zurück. Weil das Angebot größer ist als die Nachfrage, ist der ökologisch höchst umstrittene Energieträger in den USA inzwischen für gerade einmal ein Siebtel des Gas-Weltmarktpreises zu haben. Dem Absatz von klimaneutraler, also erneuerbarer Energie versetzt diese Entwicklung einen weiteren Dämpfer. Auf zwei Prozent beziffert der BP-Weltenergiebericht den aktuellen Anteil von Windkraft, Solarenergie und Biothermie an der weltweiten Energieproduktion. Regine Günther vom WWF hat dafür nur einen Kommentar übrig: Das sei, so sagt sie, zum Weinen.