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Akzeptierte Vorurteile

3. August 2007

Vor fünf Jahren sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder Nein zum Irak-Krieg. Seitdem breitet sich eine Welle des Antiamerikanismus in Deutschland aus. Kristin Zeier kommentiert diese Entwicklung.

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Bild: DW

In keinem anderen europäischen Land ist das Ansehen der USA so schlecht wie in Deutschland. Laut einer neuen Studie des Pew Research Center in Washington haben nur 30 Prozent der Deutschen eine positive Meinung von den Vereinigten Staaten - im Jahr 2000 waren es noch 78 Prozent gewesen. Seit dem Irak-Krieg haben die USA ein massives Imageproblem - in aller Welt. Aber selbst in Ländern wie Frankreich, wo während der ersten Kriegsjahre eine starke antiamerikanische Haltung herrschte, hat sich das Ansehen der USA inzwischen verbessert. Nur in muslimisch geprägten Ländern bleibt ihr Ruf stark beschädigt - und in Deutschland.

Aber das sollte keinen Amerikaner wirklich beunruhigen. Antiamerikanismus ist in Deutschland mehr eine politische Ideologie als eine tatsächliche Abneigung gegen die US-Bevölkerung.

Antiamerikanismus wird toleriert

Sicherlich ist der andauernde Krieg und George W. Bushs Cowboy-Rhetorik eine Quelle des Misstrauens. Auch Washingtons mangelnde Bereitschaft, sich stärker für die Umwelt oder die Entwicklungsländer zu engagieren, ist für viele Deutsche ein Grund, mit Antipathie über den Atlantik zu schauen. Im Gegensatz zu Vorurteilen gegenüber anderen Nationalitäten aber, wird Antiamerikanismus in Deutschland politisch und gesellschaftlich toleriert.

Vor fünf Jahren lehnte Bundeskanzler Gerhard Schröder den Krieg gegen den Irak ab. Mit Begriffen wie "Alleingang" und "Abenteuer" distanzierte er sich von seinem Verbündeten wie kaum ein Kanzler vor ihm. Seine schroffe Kritik gegenüber Washington brachte zuhause politische Dividende: Die Sozialdemokraten und Grünen konnten die Wähler unter einem neuen politischen Banner mobilisieren und das kategorische Nein zum Krieg verhalf Rot-Grün zur Wiederwahl.

Sündenbock für die Weltprobleme

In den Jahren danach entwickelte sich aus der Antikriegshaltung ein zunehmender Antiamerikanismus. In den Augen vieler Deutscher war Amerika nicht nur ein Kriegstreiber, sondern auch der größte Umweltverschmutzer und eine von imperialistischen Motiven getriebene Weltmacht. Es war politisch en vogue, mit dem Zeigefinger auf Amerika zu deuten. Der "Partner in Peace" wurde zu einem Sündenbock für viele der Weltprobleme: Klimaerwärmung, zunehmende Gewalt im Nahost und die wachsende Kluft zwischen Industrie- und Entwicklungsländern.

Wenig wurde von den Politikern unternommen, um dieses schiefe Bild zu korrigieren. Stattdessen wandten sich vor allem linke Politiker in eine andere Richtung: Zum neuen Freund Russland mit seinen vielen Gasvorkommen und zu Staatspräsident Wladimir Putin, den Schröder als "lupenreinen Demokraten" bezeichnete. Die Medien spielten mit: Der transatlantische Bruch war ein Dauer-Thema. Wenig wurde über die kulturellen und politischen Gemeinsamkeiten der Länder berichtet. Stattdessen prägten Waffenbesitz, Todesstrafe, Guantanamo Bay, Abu Ghraib und die Ablehnung des Kyoto-Protokolls die öffentliche Meinung über die USA. Nach sieben Jahren rot-grüner Koalition waren die antiamerikanischen Vorurteile fest verankert.

Verbesserung in Sicht?

Trotz der verbesserten Beziehungen unter der neuen Bundesregierung ist in der Bevölkerung kaum eine Veränderung spürbar. Dass Antiamerikanismus in Deutschland tief verwurzelt ist, belegt eine Umfrage aus dem Frühjahr 2007, bei der 57 Prozent der 18 bis 29-Jährigen erklärten, die USA seien gefährlicher als der Iran. Die Vorbehalte verschwinden also nicht so schnell. Soziologen zufolge nimmt die antiamerikanische Haltung sogar mit höherem sozialen Status und höherer Bildung zu.

Antiamerikanismus ist Ausdruck einer bestimmten Haltung, die sich daran gewöhnt hatte, nach dem Wegfall der Sowjetunion die einzig verbliebene Supermacht für alles verantwortlich zu machen - im Guten und vor allem im Schlechten. Nur durch Aufklärung und persönliche Beziehungen kann man diese Sichtweise ändern - und vielleicht auch mit einem Personalwechsel im Weißen Haus.

Kristin Zeier ist die Leiterin des englischen Teams von DW-WORLD.DE