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Amerikanisches Polit-Drama

Soric Miodrag Kommentarbild App
Miodrag Soric
13. Mai 2016

Die politische Bühne in den USA präsentiere gerade ein Schauspiel, das an die Antike erinnere, meint Miodrag Soric. Und das wahre Drama erwarte Republikaner wie Demokraten erst noch.

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Donald Trump (Foto: AP)
Bild: picture-alliance/AP/E.Vucci

In antiken Dramen zeichnet sich das Unglück früh ab. Spannung entsteht, weil immer wieder versucht wird, den Niedergang abzuwenden. Doch alle Bemühungen scheitern. Am Ende ergeben sich die Beteiligten dem Schicksal.

Diese Vorbestimmung erinnert fatal an das Schauspiel, das derzeit die Parteien auf Washingtons politischer Bühne geben. Etwa bei den Republikanern. Aufrechte Konservative, Senatoren, Gouverneure, Kongressabgeordnete, Geldgeber der Partei: Sie wollten verhindern, dass Donald Trump Präsidentschaftskandidat wird. Ohne Erfolg.

Die letzte Hoffnung, das Unglück abzuwenden, lag auf den schmalen Schultern des Sprechers des Repräsentantenhauses, Paul Ryan. Schließlich hatte dieser vor ein paar Tagen, verkündet: "Er könne Trump nicht unterstützen - noch nicht." Das war verwegen, mutig, unerhört, weil er dem offensichtlichen Sieger der Vorwahlen die Loyalität verweigerte. Jetzt, nach dem Treffen Trump und Ryan, scheint auch Letzterer einzuknicken. Das hat weniger mit dem angeblichen Charme des Milliardärs zu tun. Es geht vielmehr um die Notwendigkeit, die Republikanische Partei zu einen. Besonders vor dem bevorstehenden Parteitag im Juli, der "Krönungsmesse" des Donald Trump.

DW-USA-Korrespondent Miodrag Soric (Foto: DW)
DW-USA-Korrespondent Miodrag Soric

Wie in der griechischen Tragödie gibt es für Paul Ryan keinen Weg, nicht schuldig zu werden: Widersetzt er sich Trump, werden ihm Millionen Trump-Anhänger vorwerfen, die konservativen Kräfte zu spalten; am Ende gar für den Sieg von Hillary Clinton verantwortlich zu sein. Stellt sich Ryan hinter Trump, wird ihn das Parteiestablishment mit in die Haftung nehmen: für Trumps Pläne, eine Mauer entlang der Grenze zu Mexiko zu bauen, Muslimen die Einreise zu verweigern oder Handelskriege mit dem Ausland.

Clinton: blass, aber unvermeidlich

Tragisch auch die Aussichten bei den Demokraten: Hillary Clinton ist die unvermeidliche Kandidatin. Sie hat das meiste Geld. Die Mächtigen der Partei, darunter ihr Ehemann Bill, Wall Street und Hollywood haben bereits vor Jahren beschlossen, dass die 69-Jährige am Zuge sei, das Land zu regieren. Dabei gehört das Herz vieler junger Demokraten ihrem Rivalen Bernie Sanders. Hillary wirkt blass. Ihr fehlt die Wortgewalt, das Charisma eines Barack Obama. Viele Amerikaner trauen ihr nicht, mögen sie nicht.

Hillary Clinton (Foto: Reuters)
Hillary Clinton: Sie gehört wie kaum eine andere zur Polit-Nomenklatura in den USABild: Reuters/J. Sommers

Egal ob Demokrat oder Republikaner: Die meisten Menschen sehnen sich nach einem Kandidaten, der nicht zum Establishment gehört. Und ausgerechnet jetzt schicken die Demokraten Clinton ins Rennen - eine Frau, die wie kaum eine andere zur Polit-Nomenklatura gehört. Sie polarisiert, um es höflich zu formulieren. Sollte sie gewählt werden, dürfte die Blockade der Republikaner gegenüber dem Weißen Haus weiter gehen. Mit allen Konsequenzen, die sich daraus für die USA und ihre Verbündeten ergeben.

Im Schauspielhaus fällt am Ende der Tragödie der Vorhang, das Publikum geht nach Hause. Alles nur gespielt. Nicht so auf der Polit-Bühne Washingtons, wo das Drama erst nach der Wahl erst beginnt.