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Kommentar: Angela Merkel setzt in Moskau Akzente

Cornelia Rabitz17. Januar 2006

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am Montag (16.1.) in Moskau ihren Antrittsbesuch abgestattet. Im Vorfeld waren die Erwartungen hoch, aber sie hat ihnen entsprochen. Cornelia Rabitz kommentiert.

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Die Kanzlerin und der PräsidentBild: AP

Bundeskanzlerin Angela Merkel musste sich bei ihrem Besuch in Moskau nicht nur an den Versäumnissen ihres Vorgängers Gerhard Schröder messen lassen, sondern auch noch die hohen moralischen Erwartungen all jener erfüllen, die darauf gepocht hatten, dass die neue deutsche Regierungschefin nun aber im Kreml nachdrücklich auf der Beseitigung rechtsstaatlicher Mängel bestehen müsse. Und dann war da noch der Wunsch, dass bei Merkels Antrittsbesuch in Moskau Konturen der Russlandpolitik ihrer Regierung erkennbar würden.

Pragmatismus statt Kumpanei

Am Ende steht nun fest: Man hat sich Zeit füreinander genommen - mehr als geplant. Und Angela Merkel hat den Erwartungen entsprochen. Sie war klug genug, den erhobenen Zeigefinger zu meiden. Sie achtete auf gleiche Augenhöhe und scheute ein offenes Wort nicht. Sie weiß, dass Deutschland ohnehin die Rolle des politischen Nachhilfelehrers schlecht zu Gesicht steht. Keine hemdsärmelige Kumpanei, sondern nüchterner, vielleicht ein wenig glanzloser Pragmatismus. Er wird den Beziehungen zwischen beiden Ländern gut tun.

In den deutschen Medien war die Frage, ob Frau Merkel mit ihrem Gastgeber im Kreml über Tschetschenien sprechen würde, regelrecht zum Maßstab für den Bestand der deutsch-russischen Beziehungen hochstilisiert worden. Nun lässt sich sagen: Ja, auch Tschetschenien war ein Thema, das umstrittene Gesetz zur Regelung der Tätigkeit von Nicht-Regierungsorganisationen ebenso - aber auch noch viele andere - darunter äußerst brisante - Themenbereiche: Von der Energiesicherheit bis zum Umgang mit dem Atomprogramm des Iran.

Auf russisch und ohne Blatt vor dem Mund

Und dennoch hat die Bundeskanzlerin wichtige Zeichen gesetzt. Ihr Vorgänger Gerhard Schröder hatte die deutsch-russischen Beziehungen ausschließlich aus der Perspektive großer wirtschaftlicher Unternehmungen betrachtet. Zu Recht hatte man Gerhard Schröder immer wieder vorgeworfen, er beschönige die fragwürdige Innenpolitik seines Duz-Freundes Wladimir Putin.

Anders Angela Merkel: Sie nahm kein Blatt vor den Mund und sprach auch Strittiges an. Vor allem aber traf sie sich mit Vertretern der russischen Zivilgesellschaft, sie lernte engagierte Menschen kennen und sprach dabei auch Russisch, was ersichtlich zu einer guten Atmosphäre beigetragen hat. Sie gab sich nicht mit einem Vier-Augen-Gespräch auf höchster Ebene zufrieden und stellte trotzdem keine für die russische Seite unerfüllbaren Forderungen auf.

Kein Kurswechsel, trotzdem Neubeginn

Man wird in Kontakt bleiben und, so möchte es die Kanzlerin, dabei die Themenpalette künftiger Gespräche erweitern. Dies schließt strittige Menschenrechtsfragen ebenso ein wie das Problem der beschränkten Pressefreiheit oder die Krisensituation im Kaukasus. Kein Kurswechsel also - die deutsch-russische Partnerschaft wird vielmehr ausgebaut, das ist die Botschaft des Besuches.

Ende der hemdsärmeligen Kumpanei also - und Beginn von etwas Neuem. Merkel ist es gelungen, Akzente zu setzen. Sie hat politische Anbiederung ebenso vermieden wie undiplomatische Töne. Sie hat sich als realistisch, nüchtern und damit unabhängig gezeigt.

Ihr Besuch war aber auch ein wichtiges Signal an die Adresse all jener, die in Russland - bislang leider vergebens - für mehr Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit kämpfen.