1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kommentar: Applaus und Schulterklopfen

Miodrag Soric18. September 2014

Mit dem Kurs weg von Russland, hin zum Westen geht die Regierung in Kiew ein hohes Risiko ein. Die USA sollten die Hoffnungen der Menschen in der Ukraine jetzt nicht enttäuschen, meint Miodrag Soric.

https://p.dw.com/p/1DFMx
Petro Poroschenko redet vor dem US-Kongress (Foto: REUTERS/Kevin Lamarque)
Bild: Reuters

Washington lässt den ukrainischen Präsidenten hochleben. Petro Poroschenko lieferte eine beeindruckende, kämpferische Rede im US-Kongress. Nur wenige Ausländer dürfen an diesem für die Amerikaner so wichtigen Ort sprechen. Eine besondere Ehre, die ihm die USA zuteil werden ließen. Den Amerikanern sprach er aus dem Herzen, als er das Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung betonte. Die Abgeordneten beantworteten seine Bitte: "Lassen Sie die Ukraine nicht allein!" mit einem lange andauernden Applaus.

Wo immer der ukrainische Präsident in Washington auftaucht – im Kongress, im Weißen Haus, bei Stiftungen - ihm wird der rote Teppich ausgerollt, er wird geehrt, die Politiker klopfen ihm auf die Schulter. Auf den ersten Blick also ein erfolgreicher Besuch eines Staatsoberhauptes in der US-Hauptstadt. Feierstimmung kommt dennoch nicht so recht auf. Aus gutem Grund.

Petro Poroschenko ist angeschlagen. Moskau hat die Krim annektiert und kontrolliert weiterhin den Osten der Ukraine. Die Wirtschaft des Landes steht kurz vor dem Zusammenbruch. Die Arbeitslosigkeit steigt. Russland schottet seinen Markt gegen ukrainische Produkte ab. Das einst so umstrittene Assoziierungsabkommen mit der EU tritt erst Ende 2015 vollständig in Kraft. Kiew fehlt das Geld, um seine Erdgasrechnungen gegenüber dem Kreml zu begleichen. Moskau dreht langsam aber sicher den Gashahn zu. Die Heizungen in Lemberg, Odessa oder Kiew könnten in den kommenden Monaten kalt bleiben. Keine Frage: Die Ukrainer zahlen einen hohen Preis für die Neuausrichtung ihrer Politik: Weg von Russland, hin zum Westen.

Wie lautet nun die amerikanische Antwort auf Poroschenkos Bitten um Geld und Waffen? Die ukrainische Armee braucht Waffen, um sich gegen die Angreifer im Osten des Landes zu verteidigen. Die Regierung benötigt Geld, um 47 Millionen Menschen irgendwie durch den Winter zu bringen. Um Poroschenkos Worte zu verwenden: Nur mit Decken lässt sich der Krieg nicht gewinnen; und noch nicht einmal der Frieden bewahren.

Bislang verweigern ihm die Amerikaner die Lieferung von Waffen. Präsident Putin soll nicht provoziert werden. Zudem lasse sich der Konflikt militärisch nicht lösen, heißt es in Washington. So reagierte übrigens auch 2008 Präsident George Bush. Der lehnte es ebenfalls ab, Georgien Waffen zu geben, als das Land gegen Russland kämpfte.

Frisches Geld bleibt Poroschenko auch verwehrt. Denn: In Amerika herrscht Wahlkampf. Deshalb genehmigen die Abgeordneten keine Milliardengeschenke an Staaten, mit denen viele US-Bürger kaum vertraut sind. Hinter vorgehaltener Hand verweisen Washingtons Politiker auch auf die weit verbreitete Korruption in der Ukraine: Wer weiß schon, wo die Hilfsgelder am Ende landen? Sollen doch die Europäer und der Internationale Währungsfonds helfen, so die Meinung der politischen Klasse.

Wer falsche Hoffnungen weckt, erntet echte Enttäuschungen, soll der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger einmal gesagt haben. Die USA haben jahrelang um die Ukrainer geworben, sie ermuntert, ihre Nähe gegenüber Russland aufzugeben. Nachdem die Ukraine nun diesen Weg beschritten hat, trägt Washington eine Mitverantwortung für die Ukrainer. Die Amerikaner werden dieser Verantwortung nicht gerecht, wenn sie ihre Taschen weiter zuhalten.