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Athen, wir brauchen einen Plan!

Henrik Böhme5. Februar 2015

Der Poker um Griechenlands Schulden-Milliarden geht in die nächste Runde. Mit neuen Spielern und alten Bekannten. Athen will mehr Zeit. Doch die Geldgeber sollten sich darauf nicht einlassen, meint Henrik Böhme.

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Symbolbild Finanzkrise in Griechenland
Bild: AFP/Getty Images/L. Gouliamaki

Das hatten sie sich so schön ausgedacht, die flotten Jungs aus Athen. Mal eben in der Economy durch Europa touren: London, Paris, Brüssel, Berlin, Frankfurt am Main. Um Verständnis werben, um Geduld bitten, und natürlich: Um Geld. Oder besser: Um einen Schuldenerlass. Da ist dann mal von einem Schuldenschnitt die Rede, dann wieder von "ewigen" Schuldscheinen (die am Sankt-Nimmerleins-Tag fällig werden, also niemals), dann von einer Streckung des Zahlungsziels. Garniert mit Argumenten wie: Die Hilfs-Milliarden von EU und IWF erdrücken das Land, weil auf einen schon riesigen Schuldenberg noch mehr neue Schulden drauf gepackt wurden.

Was fehlt ist allein: ein Plan.

Griechenland ist ein Paradebeispiel für Klientelwirtschaft und Korruption, für eine überbordende Bürokratie, verglichen mit der winzigen Wirtschaftsleistung, die etwa einem Zehntel der französischen entspricht. Ein Startup-Unternehmen braucht bis zu einem Jahr, um alle Genehmigungen zusammen zu bekommen. Mit einer Anhebung des Mindestlohns wird Alexis Tsipras die horrende Jugendarbeitslosigkeit in seinem Land nicht bekämpfen können. Mit Tausenden Beamten, die er wieder einzustellen gedenkt, auch nicht.

Deutsche Welle Henrik Böhme
DW-Wirtschaftsredakteur Henrik BöhmeBild: DW

Es war vielleicht voller Symbolik, zunächst nach Brüssel zu reisen, um den obersten Europäern zu versichern, dass man durchaus gedenke, in der Union zu verbleiben und den Euro behalten zu wollen. Aber dringender sollte Herr Tsipras nach Spanien, Lettland und Irland reisen. Auch dort hat die Krise tiefe Spuren hinterlassen, haben die Menschen gelitten. Aber die Regierungen dort haben die Sparprogramme durchgezogen, und jetzt lassen sich erste Erfolge besichtigen. Das war ja auch in Griechenland so: Vor drei Jahren minus zehn Prozent Wirtschaftsleistung, jetzt ist wieder ein - wenn auch winziges - Plus zu sehen. Doch die Griechen haben die Geduld verloren und sich an der Wahlurne anders entschieden.

Jetzt geht das Spiel von vorn los.

Auf den Rausschmiss der verhassten Troika haben die Geldgeber ziemlich cool reagiert. Stunden nachdem Athens Finanzminister vom Hof der Europäischen Zentralbank gerollt war, teilte die EZB mit, man werde ab der kommenden Woche keine Ramschanleihen der griechischen Banken als Sicherheiten akzeptieren. Das ist nichts weiter als eine Reaktion auf die Ankündigung der neuen Regierung in Athen, das Sparprogramm zu beenden. Doch eben dieses Programm war die Bedingung dafür, dass solche schlecht bewerteten Anleihen als Pfand von der EZB angenommen werden dürfen. Das hätte EZB-Chef Draghi seinem Besucher freilich auch während des Gesprächs sagen können. Hat er aber nicht.

Es ist ein milliardenschweres Pokerspiel.

Dabei ist die Troika noch das geringste Problem. Man kann auch einfach das Etikett entfernen - dann muss Athen eben mit den drei Geldgebern EU, IWF und EZB in getrennten Gesprächen verhandeln. Das ist bloße Symbolik, und mag im Wahlkampf wunderbar als Feindbild gedient haben. Aber die Schulden sind ja deswegen nicht weg, und die Verträge werden nicht null und nichtig, nur weil eine neue Regierung im Amt ist.

Nicht die Troika hat Griechenland dorthin manövriert, wo es heute steht. Das waren die offenbar unfähigen Athener Regierungen der vergangenen Legislaturperioden. Das waren unfähige Bürokraten in Brüssel, die den Statistiken aus Athen getraut haben.

Um die Sache zu einem (guten) Ende zu bringen, gibt es nur zwei Wege: Entweder ein Staatsbankrott des Landes, verbunden mit dem Austritt aus der Eurozone. Oder aber ein europäischer Marshall-Plan für Athen, mit dem die Wirtschaft des Landes wirklich angekurbelt wird. Das Problem: Auch da werden die Geldgeber Bedingungen stellen – das sieht also nicht nach einem guten Plan aus. Statt Dauerkrise und fortwährender Alimentierung also lieber ein Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende.

Außer die Tspiras-Truppe zieht jetzt ein sensationelles As aus dem Ärmel und hat einen noch besseren Plan. Es sei den Griechen gegönnt. Allein: Mir fehlt der Glaube.