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Aufschieben und Abwarten

Bernd Riegert, Brüssel12. Mai 2008

Serbien hat gewählt und der Europäischen Union fällt ein Stein vom Herzen, und zwar ein sehr großer. Doch was nun? Bernd Riegert kommentiert.

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Bild: DW

Mit dem überraschend deutlichen Sieg des pro-europäischen Lagers ging das Kalkül der EU-Balkanpolitiker voll auf. Die EU hatte wenige Tage vor der Wahl ein Assoziationsabkommen unterzeichnet und so klar gemacht, dass sie Serbien auf jeden Fall als Mitglied aufnehmen will. Serbien ist für die EU unverzichtbarer Teil eines stabilen West-Balkan. Sie hatte sich eindeutig auf die Seite des Europa-Lagers um Präsident Boris Tadic geschlagen und steht damit auf der richtigen Seite. Jetzt will die slowenische EU-Ratspräsidentschaft keine Zeit verlieren und kündigte bereits in der Nacht an, man wolle Serbien so schnell wie möglich zum "Kandidatenstatus" verhelfen, also der nächsten Stufe auf der Leiter zur Mitgliedschaft in der Union. Sie lockt mit Visaerleichterungen und Wirtschaftshilfe. Zügiges Handeln ist wohl auch nötig, denn aus Erfahrung weiß man in Brüssel, dass serbische Regierungskoalitionen nicht sonderlich haltbar sind. Zu viel offensichtlichen Druck sollte die EU aber auch nicht machen und erst einmal die Regierungsbildung abwarten, denn sonst könnte ihr Engagement als Einmischung in die serbische Innenpolitik gedeutet und als Munition von den Europagegnern genutzt werden.

Und die Kriegsverbrecher?

Bernd Riegert

Trotz aller Freude bei EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn und dem außenpolitischen Beauftragten, Javier Solana, bleiben zwei Probleme: Das Assoziierungsabkommen, das Wahlgeschenk an Boris Tadics Partei, kann erst in Kraft treten, wenn alle EU-Staaten es ratifiziert haben. Das wiederum werden Niederländer und Belgier erst dann tun, wenn alle gesuchten Kriegsverbrecher in Den Haag sind, sprich der ehemalige Serbien-General Mladic an das Jugoslawien-Tribunal ausgeliefert ist. Die Luft für Mladic, der sich in Serbien aufhalten soll, wird sicherlich dünner. Fraglich ist aber, ob die neue Regierung die Kraft haben wird, sich gegen die Unterstützer Mladics durchzusetzen.

Und Kosovo?

Das zweite Problem ist noch kniffeliger: Kosovo. Präsident Tadic lehnt die Anerkennung des Kosovos als Staat kategorisch ab, inzwischen hat aber die Mehrheit der EU-Mitglieder die einseitig ausgerufene Unabhängigkeit hingenommen. Die serbische Regierung geht davon aus, dass sie auch für Kosovo verhandelt, das sie als ihre Provinz betrachtet. Die EU wiederum geht mehrheitlich davon aus, dass Kosovo nicht mehr Teil Serbiens ist. Für einige Zeit wird man den Konflikt vor sich herschieben können, aber irgendwann kommt auch im Laufe des Beitrittsprozesses der Punkt, an dem sich EU und Serbien einigen müssen, wie mit Kosovo zu verfahren ist.


Die EU möchte Serbien und Kosovo als Staaten in ihrer Mitte integrieren. Das würde von der serbischen Regierung Zugeständnisse verlangen, die in der heutigen Situation sofort wieder eine Krise heraufbeschwören würde. Also muss das Rezept heißen: Aufschieben und Abwarten. Den vorläufigen Weg hat Serbiens Präsident Boris Tadic im Wahlkampf so vorgezeichnet: EU-Annäherung und Kosovo werden als getrennte Themen behandelt. Dass das nicht ewig funktioniert, sondern nur eine zeitlich befristete pragmatische Sicht sein kann, müsste allen Beteiligten klar sein.