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Kommentar: Bob Geldof meint es auch nach 30 Jahren immer noch gut

Claus Stäcker14. November 2014

Bob Geldof will den Charity-Hit "Do They Know It's Christmas?" neu auflegen. Der Helferansatz von Musikern wie Geldof und Bono aber ist eine Idee von gestern und nützt Afrika wenig, argumentiert Claus Stäcker.

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BandAid30 Geldof Campino Uhlmann Herre Foto: Lukas Schulze/dpa
Zusammen mit mehr als 25 Bands produziert Bob Geldof (3.v.l.) einen Weihnachtssong, dessen Erlöse Ebola-Erkrankten zu Gute kommen sollenBild: picture-alliance/dpa/L. Schulze

Das Leben hat Bob Geldof gezeichnet. Vor wenigen Monaten verlor er seine heroinsüchtige Tochter, 25 Jahre alt. Umso höher ist es dem einstigen Musik-Rebell anzurechnen, dass er auch mit über 60 unverdrossen an das Gute im Menschen glaubt. Dass er mehr tut als die meisten, um die Welt ein bisschen besser zu machen. Es sind nicht die Skeptiker, die die Welt verändern.

Mit dem Projekt "Band Aid" vor 30 Jahren, als in Äthiopien Hunderttausende vom Hungertod bedroht waren, schrieb er Musikgeschichte und spielte nach eigenen Angaben 250 Millionen Dollar ein. Geldof gründete eine Bibliothek für sterbende afrikanische Sprachen, im "Africa Progress Panel" des einstigen UN-Generalsekretärs Kofi Annan berichtet er im Jahresrhythmus über ökonomische Fortschritte auf dem Kontinent. Nun soll der Charity-Hit "Do They Know It's Christmas?" helfen, die Ebola-Krise einzudämmen'.

Wie 1984 trommelt der Ire zusammen, was Rang und Namen hat. Bis auf Bono von U 2 sind es durchweg Namen, die heute angesagt sind: die britische Popsängerin Adele ist dabei, die Boygroup One Direction, Chris Martin von der Kultband Coldplay.

"Entwicklungshilfe macht die Armen ärmer"

Und doch muss die Frage nach der Wirksamkeit gestellt werden: Denn das Gegenteil von gut ist oft gut gemeint. Hinter dem Projekt steckt der paternalistische Irrglaube, die Hilfe der Reichen im Norden stärke die Armen im Süden. Aber schon 1984 wurde die Hungerkrise in Äthiopien politisch instrumentalisiert.

30 Prozent aller Bodenschätze der Welt liegen in Afrika, 60 Prozent allen kultivierbaren Landes. Zehn Milliarden Euro Entwicklungshilfe werden jedes Jahr in den Nachbarkontinent gepumpt, 300 Milliarden seit 1970. Die Hälfte davon verlässt den Kontinent wieder, die andere Hälfte stärkt die Eliten. In den Nehmerländern stieg die Armutsrate im selben Zeitraum von 11 auf über 50 Prozent an! "Entwicklungshilfe", schreibt die sambische Ökonomin Dambisa Moyo, "hat geholfen, die Armen ärmer zu machen und das Wachstum zu verlangsamen". Sie sei ein "umfassendes politisches, wirtschaftliches und humanitäres Desaster".

Claus Stäcker Foto: Steffen Heinze/Lisa Flanakin, DW
Claus Stäcker, Leiter der Hauptabteilung Afrika der Deutschen WelleBild: DW

Wo sind die Milliarden geblieben? Was haben Geldofs 250 Millionen bewirkt? Der Punkrentner scheint sich das nicht zu fragen. Vielleicht hätte er aus aktuellem Anlass mal mit Oyewale Tomori sprechen sollen. Der nigerianische Virologe übte gerade heftige Kritik an den afrikanischen Entscheidern. Gelder zur Ebola-Bekämpfung verschwänden in dunklen Kanälen. Er nennt ein Testlabor, das nach der Ebola-Epidemie 1995 im Kongo errichtet werden sollte. Kurz vor der Fertigstellung wurden die Bauarbeiten abgebrochen. Zwei Millionen Euro an Hilfsgeldern waren vergeudet. Das Zentrum hätte heute helfen können. "Ich bin wütend auf Afrika", sagt Tomori. "Afrika könnte seine Probleme selber lösen, aber seine Führer bringen es nicht zustande."

"Eine andere Form von Rassismus"

Bonos und Bob Geldofs unreflektierter Helferansatz wird daher von zahlreichen Intellektuellen seit Jahren kritisiert. Der prominenteste Kritiker ist Nigerias Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka: "Leute wie Geldof und Bono scheinen zu glauben, dass wir uns nicht selbst helfen können, dass wir auf Menschen wie sie angewiesen seien." Soyinka nennt das eine "andere Form von Rassismus".

Mitunter drängt sich die Frage auf, wem die karitative Attitüde mehr nützt: den Afrikanern oder den vermeintlichen Helfern im Norden als karrierefördernder PR-Effekt. Es soll den Musikern dennoch nicht pauschal der gute Willen abgesprochen werden. Schnelles Geld ist nötig, um mobile Teams vor Ort zu unterstützen, Helfer zu bezahlen, medizinisches Gerät und teure Schutzkleidung in die entlegenen Regionen zu bringen.

Muslime in Guinea Foto: GEORGES GOBET/AFP/Getty Images
Den rund 10 Millionen Muslimen in Guinea ist es egal, ob Weihnachten istBild: GEORGES GOBET/AFP/Getty Images

Vielleicht sollte Sir Bob das Geld vor Ort einfach in bar verteilen, an die betroffenen Familien, denen die Ernährer weggestorben sind. Und danach in sich gehen, ob er nicht besser vor der eigenen Haustür zu kehren beginnt. Flüchtlingen eine soziale Perspektive geben, afrikanischen Ländern eine faire Handelschance - die Liste ist lang. "Ich mag dieses Zeug nicht", sagte Bob Geldof dem "Independent" zur Renaissance seiner Band-Aid-Aktion. Es sei langweilig, das zu organisieren. "Ich hoffe, dass wir mit dieser komischen Aufnahme das Ungeheuer ein für allemal zur Ruhe setzen". Diesen Wunsch, Sir Bob Geldof, teilen viele, nicht zuletzt die 85 Prozent Muslime im Ebola-Land Guinea. Bei denen dürfte der Satz "Wissen sie, dass Weihnachten ist" aber ohnehin auf Unverständnis stoßen.