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Kommentar: Blairs neue Winkelzüge

Grahame Lucas8. Mai 2006

Das Ergebnis der Kommunalwahlen in Großbritannien war eine schwere Schlappe für die Labour-Partei. Doch Blair wäre nicht Blair, wenn er nicht versuchte, die Situation für sich zu nutzen, meint Grahame Lucas.

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Tony BlairBild: AP

Die Entscheidung Blairs, sofort auf das Wahlergebnis zu reagieren und noch am Freitag (5.5.2006) sein Kabinett umzubilden, zeigt, dass er keineswegs die Absicht hat, seinen Kritikern nachzugeben und seinen Stuhl zu räumen. Blair kämpft energisch und mit dem Mut der Verzweiflung darum, die Zeit seines Rücktritts selbst zu bestimmen. Seinem Finanzminister und Kronprinzen Gordon Brown will Blair keineswegs vor 2008 weichen. So viel Zeit glaubt er noch zu brauchen, um seine innenpolitischen Reformen zu vollenden. Es geht ihm aber natürlich auch darum, seinen Platz in den Geschichtsbüchern zu sichern - einen Platz, der nicht durch seine Irak-Politik überschattet werden, sondern durch seine Vision eines modernen Großbritanniens geprägt sein soll.

Ein wichtiger Verbündeter geht verloren

Doch die jetzige Kabinettsumbildung - so notwendig sie auch ist - funktioniert für Blair nur, wenn es ihm gelingt, den Rivalen Brown in Schach zu halten. Mit der Entlassung des Innenministers Charles Clarke hat der britische Premier zwar den Hauptschuldigen für den Verlust von rund 250 Mandaten bei den Städte- und Gemeindewahlen gefunden. Clarke trägt die politische Verantwortung dafür, dass das Innenministerium die Freilassung von mehr als 1000 verurteilten Straftätern ohne britischen Pass angeordnet hat, ohne sie auszuweisen. Aber Blair verliert einen wichtigen Verbündeten. Clarke gehörte zum engsten Führungskreis um Blair und galt als Schlüsselfigur im Kabinett. Vize-Premier John Prescott, der unmittelbar vor der Wahl eine Affäre mit einer Mitarbeiterin zugab, soll deswegen Blair weiterhin im Kabinett unterstützen dürfen, verliert aber als Konzession gegenüber den Wählern wichtige Zuständigkeiten.

Aber Blair wäre nicht Blair, wenn er nicht versuchen würde, die Situation zu seinem Vorteil zu nutzen. Außenminister Jack Straw, der neben Blair für die missratende Irak-Politik verantwortlich gemacht wird, muss zwar gehen. Aber er - übrigens auch ein Mitglied des inneren Führungskreises - bleibt als Fraktionsvorsitzender im Unterhaus eine wichtige Stütze des Premierministers, wenn auch nicht mehr im Rampenlicht. Mit der Berufung Margaret Becketts als Nachfolger bekommt die Regierung eine Außenministerin, die der Irak-Politik ein neues Gesicht verleihen kann.

Einen Rivalen von Blairs Rivalen berufen

Mit der Umsetzung von John Reid auf den Innenminister-Posten setzt Blair noch einen drauf. Er befördert einen Politiker, der zunehmend als Rivale Browns gilt. Damit verschafft er sich taktische Vorteile in seinem Dauerzwist mit Brown und hält ihn weiter in Schach.

Mit der Kabinetts-Umbildung zeigt Blair gegenüber der Öffentlichkeit Reue, aber auch - was sehr wichtig ist - dass er noch in der Lage ist, die Regierungspolitik zu gestalten. Diesen Spielraum hat Blair aber nur, weil die Konservativen - die oberflächlich betrachtet die klaren Wahlsieger waren - immer noch schwächeln. Ihr junger Vorsitzender David Cameron hat im Wahlkampf eine gute Figur abgegeben und sich als künftiger Premierminister empfohlen. Aber: seine Erfolge sind weitgehend auf die traditionellen Hochburgen seiner Partei im Südosten des Landes beschränkt. Cameron konnte sich nicht in den Großstädten Nord- und Mittelenglands, wo die Unterhauswahlen entschieden werden, durchsetzen. Für ihn reicht es noch lange nicht. Für Blair reicht es - gerade noch.