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Blutspur bis zum Gipfel

16. November 2015

Terror, Bürgerkrieg, Flüchtlinge. Mit dieser unseligen Trias mussten sich die 20 größten Industriestaaten auf ihrem Gipfeltreffen in Antalya beschäftigen. Die Ergebnisse? Unausgegoren, meint Christian F. Trippe.

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Staatsmänner beim G-20-Gipfel in Antalya (Foto: AP)
Bild: picture-alliance/AP Photo/S. Walsh

Die Blutspur, die der islamistische Terrorismus durch Europa gezogen hat, reichte bis Antalya. Nach den Anschlägen von Paris mussten die G-20-Granden das Thema aufgreifen. In ihrer gemeinsamen Erklärung gegen den Terror beschränkten sie sich auf zwei konkrete Maßnahmen: Die Geldströme der Terrornetzwerke sollen trockengelegt werden, und die Geheimdienste werden angehalten, besser und intensiver Informationen über Terrorverdächtige auszutauschen. Beides ist im Grunde richtig - doch beides wird (leider) nicht funktionieren.

Das Austrocknen der Finanzquellen nicht, weil Muslime gar nicht auf das "offizielle" Banken- und Geldtransfersystem angewiesen sind. Sie schicken sich Geld über das sogenannte Hawala-System, das sich dem Zugriff der Aufsichtsbehörden und Sicherheitsdienste entzieht.

Christian F. Trippe (Foto: DW)
DW-Korrespondent Christian F. TrippeBild: DW

Im Übrigen wirkt es durchaus zynisch, wenn ein Land wie Saudi-Arabien die Anti-Terror-Deklaration unterschreibt - hat doch das wahabitische Königreich über Jahre den "Islamischen Staat", die Taliban und andere Brutalo-Islamisten finanziell unterstützt. Auch die Türkei - Gastgeber des Gipfels und selbst schwer vom Terror gebeutelt - hat keine weiße Weste. Lange Zeit glaubten die Strategen in Ankara, die IS-Mordbrenner in ihre Machtspiele in der Region einbauen und sie letztendlich steuern zu können. Ein tödlicher Irrtum!

Vieles passt nicht zusammen

Die Zusammenarbeit der Geheimdienste ist immer eine delikate Sache. Sie funktioniert selbst zwischen Nationen mit gleichen politischen Wertvorstellungen nur bedingt. Warum aber sollten chinesische Agenten mit ihren indischen Kollegen zusammenarbeiten? Die beiden Länder sind geopolitische Rivalen. Wie sollen der amerikanische CIA und der russische FSB vertrauensvoll Daten tauschen? Was dem einen ein Terrorist, gilt dem anderen vielleicht nur als politischer Wirrkopf oder gar als klammheimlicher Verbündeter. Siehe PLO, siehe PKK, siehe IRA. Die Namen sind austauschbar, der Kodex der Schlapphüte ist es nicht.

Der islamistische Terror geht von Syrien aus, hier hat die IS-Terrormiliz seine Heimstatt. Folgerichtig also, dass Russland und Amerika in Antalya erstmals und ernsthaft einen gemeinsamen diplomatischen Anlauf Richtung Nahost nahmen. Doch bevor die UN - das ist der Plan - politisch in Syrien etwas zustande bringt, wird dort weiter gekämpft und gestorben und geflüchtet. Dabei wird das syrische Schlachtfeld immer unübersichtlicher. Über den Einsatz von Bodentruppen redeten die G-20 nur hinter vorgehaltener Hand. Wer sollte sie stellen, wer kommandieren? Die NATO vielleicht, obwohl Russland bereits in Syrien interveniert hat?

Folglich passt Vieles nicht zusammen, was die G-20 beschlossen haben. Immerhin gelten Flüchtlinge nun als ein Problem der gesamten entwickelten Welt. So hält es die Abschlusserklärung fest. Fluchtursache Nummer eins (auch im Weltmaßstab) bleibt der Bürgerkrieg in Syrien. Wie er beendet, und wie der "Islamische Staat" besiegt werden kann - dazu lieferten die Mächtigen dieser Welt in Antalya ein paar Bausteine. Ein Pessimist würde in ihnen nur Bruchstücke erkennen.