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Kommentar: Bürger geduldig mit Großer Koalition

Heinz Dylong 28. Februar 2006

Seit 100 Tagen ist die Große Koalition nunmehr im Amt - die Schonfrist, die einer neuen Regierung traditionell gewährt wird, ist also vorbei. Wie fällt die Bilanz aus? Heinz Dylong kommentiert.

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Das Kabinett bei seiner ersten Klausur im JanuarBild: AP

Die deutsche Öffentlichkeit scheint bereit zu sein, das Bündnis von CDU/CSU und SPD weiter mit Geduld zu begleiten. Jedenfalls kann sich Bundeskanzlerin Angela Merkel großer Popularität erfreuen, und die Unionsparteien ziehen bei Meinungsumfragen ihrem sozialdemokratischem Koalitionspartner davon.

Bei der Bundestagswahl im September war das noch anders. Da lagen CDU/CSU und SPD unerwartet dicht beieinander. Die Große Koalition war die Folge eines Wahlergebnisses, das eine Koalition von CDU/CSU mit der FDP ebenso unmöglich machte wie die Fortsetzung des rot-grünen Bündnisses. Die Stärke der Linkspartei im Bundestag machte die Große Koalition faktisch alternativlos.

Wunsch nach Harmonie

Überdies entsprach diese Koalition den Wünschen der Mehrheit in der Bevölkerung. Die Große Koalition weckt große Erwartungen und spiegelt den Wunsch nach großer Harmonie wider. Was die Harmonie anbelangt, so werden die Wünsche bislang erfüllt. Die Partner gehen pfleglich miteinander um, mögliche aufkeimende Konflikte werden schnell wegdiskutiert. An die Erfüllung der Erwartungen dagegen hat sich die Koalition bislang kaum gemacht. Denn beim Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, beim weiteren Umbau der Sozialsysteme oder der Gesundheitsreform sind eben doch ernsthaftere Konflikte zwischen den Partnern zu erwarten. Diese könnten freilich dadurch gemildert werden, dass Angela Merkel inzwischen von ihrem noch im Wahlkampf propagierten neoliberalen Kurs abgerückt ist.

Zudem machte die Kanzlerin außenpolitisch einen guten Eindruck. Die Antrittsreisen nach Paris, London oder Washington hat sie souverän bewältigt. Aber es waren eben Antrittsreisen - um widerstreitende Interessen oder tief greifende Meinungsverschiedenheiten ging es nicht. Es bleibt noch abzuwarten, wie sich Merkel positioniert, wenn es etwa um die Haltung der USA zum Atomprogramm des Iran geht. Auch Merkels Auftreten beim EU-Gipfel zum Thema EU-Haushalt fand allseits Beifall. Offen blieb jedoch, inwieweit dieser Beifall der finanziellen Großzügigkeit der deutschen Kanzlerin zu verdanken war.

SPD vor Bewährung

Für die SPD stellt die Große Koalition auch eine Nagelprobe dar. Denn es geht für sie um die eigene Profilierung. Bislang gilt Arbeitsminister Franz Müntefering als das sozialdemokratische Schwergewicht im Kabinett. Doch der Vizekanzler und frühere

SPD-Vorsitzende lässt die Rückkopplung mit dem neuen Parteichef Matthias Platzeck vermissen. Das galt etwa, als Müntefering für das Anheben des Rentenalters in Deutschland ein schnelleres Vorgehen vorschlug als bisher geplant. Parteiinterne Konflikte solcher Art könnten auch zum Problem für die Koalition werden.

Das Bündnis macht einen gefestigten und stabilen Eindruck. Doch seine Dauerhaftigkeit hängt auch davon ab, wie viel Raum den Partnern zur eigenen Profilierung bleibt. Bislang gilt es geradezu als Führungstechnik Merkels, Diskussionen laufen zu lassen ohne sich selbst eindeutig zu positionieren - um dann moderierend zu einem Ende zu finden. Für die Kanzlerin einer Großen Koalition kann das eine gute Technik sein. Es fragt sich allerdings, ob das auf Dauer reicht, etwa nach den Landtagswahlen Ende März. Bei einem möglichen schwachen Abschneiden wird die SPD verstärkt auf ihr Profil achten müssen. Das Ringen um das Erfüllen der großen Erwartungen an die Große Koalition steht jedenfalls noch bevor.