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Politik

Politisch einäugig und naiv

GMF 2015 Media Summit If it bleeds, it leads Andreas Zumach
Andreas Zumach
7. August 2017

Dass sich bei der Untersuchung der Verbrechen in Syrien Frustration aufstaut, ist verständlich. Dennoch ist Del Pontes Rückzug aus der UN-Kommission angesichts ihrer Erfahrung nicht nachvollziehbar, meint Andreas Zumach.

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Carla del Ponte
Bild: Reuters

Als Carla Del Ponte im September 2012 in die dreiköpfige Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates zu Syrien berufen wurde, war sie noch voller Tatendrang und Enthusiasmus. Jetzt gibt sie völlig frustriert auf und verlässt die Kommission. Und das mit einer Begründung, die in Teilen faktisch falsch ist sowie eine politische Einäuigkeit und erstaunliche Naivität erkennen lässt.

Nachvollziehbare Frustration

In einem Punkt ist Del Pontes Frust ja durchaus nachvollziehbar: Bereits seit Mitte 2014 fordert die Untersuchungskommission in ihren halbjährlich vorgelegten Berichten über die schweren Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen in Syrien den UN-Sicherheitsrat in New York auf, den Internationalen Strafgerichtshof mit der Untersuchung dieser Verbrechen zu beauftragen. Doch ein entsprechender Beschluss des Sicherheitsrates war bislang nicht möglich - wegen der tiefen Gegensätze, die in der Syrien-Frage zwischen den fünf Veto-Mächten USA, Frankreich und Großbritannien einerseits sowie Russland und China andererseits herrschen.

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Andreas Zumach arbeitet als Korrespondent bei den Vereinten Nationen in GenfBild: DW/M. Magunia

Doch wegen dieser politischen Blockade des Sicherheitsrates der Untersuchungskommission Taten- und Erfolgslosigkeit vorzuwerfen, ist schlicht falsch. Die Kommission hat ihren vom UN-Menschenrechtsrat vorgegebenen Auftrag in den vergangenen sechs Jahren sehr aktiv umgesetzt und dies angesichts der widrigen Rahmenbedingungen für ihre Arbeit sogar äußerst erfolgreich. Denn obwohl die Regierung Assad der Kommission bis heute den Zugang nach Syrien sowie jegliche Kooperation verweigert, hat die Kommission inzwischen zehn umfangreiche Berichte vorgelegt mit zum Teil sehr detaillierten und auch beweiskräftigen Informationen zu Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen. Basis dieser Berichte sind inzwischen weit über 1000 Interviews mit überlebenden Opfern und Zeugen dieser Verbrechen, die heute als Flüchtlinge außerhalb Syriens leben, aber auch per Skype geführte Telefonate mit sich noch in Syrien aufhaltenden Personen.

Diese Berichte werden eine wichtige Quelle sein, wenn die Verbrechen eines Tages strafrechtlich untersucht werden - sei es durch einen internationalen Gerichtshof oder durch eine wieder funktionierende, unabhängige Justiz in einem demokratischen Nachkriegssyrien. Das sollte Del Ponte aus ihrer eigenen Zeit als Chefanklägerin der beiden UN-Sondertribunale zu Ex-Jugoslawien und Ruanda eigentlich wissen.

Nicht nur schwarz oder weiß im Syrien-Konflikt

Politisch einäugig ist Del Ponte, wenn sie in ihrer berechtigten Klage über das bisherige Versagen des Sicherheitsrates im Syrien-Konflikt nur die Unterstützung der Regierung Assad durch Russland kritisiert, aber kein Wort verliert zur Unterstützung der USA und anderer westlicher sowie auch nahöstlicher Staaten wie Saudi-Arabien für islamistische Rebellenmilizen oder gar für die Terrororganisationen "Islamischer Staat" und Al Kaida.

Im Syrien-Konflikt ist nicht alles nur schwarz oder weiß. Es gibt nicht eine böse Regierung auf der einen und eine gute Opposition auf der anderen Seite. Sechs Jahre hat Del Ponte nach eigenem Bekunden in ihrer Rücktrittsbegründung für diese Erkenntnis gebraucht. Diese Aussage zeugt allerdings von einer Naivität und Unkenntnis, die höchst erstaunlich ist für eine Juristin, die als Chefanklägerin zweier UN-Tribunale sowie zuvor als Generalstaatsanwältin ihres Heimatlandes Schweiz jahrelang höchstrangige Positionen in der Strafverfolgung innehatte. Die UN finden für die Nachfolge Del Pontes in der Syrien-Untersuchungskommission hoffentlich sehr schnell eine qualifizierte Person mit mehr Durchhaltevermögen und weniger politischer Einäugigkeit und Naivität.

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