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Da schrillen die Alarmglocken

19. April 2016

Helmut Kohl empfängt mit Viktor Orban einen schwierigen Europäer. In der CDU dürfte man darüber entsetzt sein. Doch Streit um Europa muss sein, meint Christoph Strack. Denn nur so nimmt man die Menschen auf Dauer mit.

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Victor Orban, 24.02.2016 (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Er ist wieder da. Er war nie wirklich weg. An diesem Dienstag setzt sich Helmut Kohl wieder in Szene, oder er wird wieder in Szene gesetzt. In seinem Haus in Oggersheim empfängt der Alt-Kanzler den ungarischen Regierungschef Viktor Orban. Das Treffen sagt viel über Europa, vieles über Kohl, manches auch über die CDU, die längst nicht mehr seine CDU ist. Bei ihr sollten in ihrer Sinnkrise die Alarmglocken ein weiteres Mal schrillen.

Mit der Würde der gewesenen Spitzen-Repräsentanten ist es so eine Sache. Der am Sonntag von Politik und Gesellschaft mit einem Staatsakt geehrte Hans-Dietrich Genscher war in den Jahrzehnten seines politischen Ruhestandes so beliebt, weil er keine alten Konflikte weiterzukochen pflegte. Vielfach steigen Spitzenpolitiker zu Buchautoren auf, die eher Rück- und Ausblicke denn Abrechnungen schreiben. Selbst Gerhard Schröder ging diesen Weg. Seine Zahmheit zeigt sich daran, dass er Angela Merkel, die Kanzlerin, als Laudatorin zur Buchvorstellung gewinnen wollte und konnte.

Offene Rechnungen

Und daneben sind die anderen. Die offene Rechnungen haben. Edmund Stoiber beispielsweise. Oder Kohl. Ihnen geht es nie um sich, sondern immer um das Land oder Europa. Der eine, Stoiber, flog kürzlich nach Moskau und herzte Putin, Kohl empfängt nun Orban. Beiden alten C-Politikern gemein ist, dass sie ein anderes Europa wollen als die deutsche Kanzlerin. Das ist ihr gutes Recht. Europa wankt und schwankt und irrlichtert. Gerade Kohl, der große Europäer der Bonner Republik, hat früh für Europa gekämpft (und manche Entscheidung als Geburtsfehler des gemeinsamen Weges und der gemeinsamen Währung vorangebracht). Aber er bleibt doch für viele der große Europäer.

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DW-Redakteur Christoph StrackBild: DW

Vielleicht ist es deswegen ein trauriges Signal, wenn nun die Zusammenkunft des Alten aus Oggersheim mit dem Gegenspieler der deutschen Kanzlerin eingefädelt wurde - in der Krise der Europäischen Union, die längst eine Krise Europas ist. "Aus Sorge um Europa", schreibt Kohl in einem nun erscheinenden Buch. Der 86-Jährige, der manche Schlacht mit seiner Nachfolgerin im Kanzleramt gefochten hat, zieht noch mal ins Gefecht. Im Bündnis mit Orban, einem Europäer, der wahrlich nicht für das offene Europa steht, an dem Berlin noch festhält. Kein Problem für Kohl. Wer die "Bild"-Zeitung zum Trauzeugen hat, braucht sich um die entsprechenden Bilder und Schlagzeilen nicht zu sorgen. Und jedes Wort des einen über den anderen, des anderen über den einen ist ein Wort gegen Merkel.

In der CDU wird es lauter werden

Aber jenseits aller Befindlichkeiten des Alten aus Oggersheim – im Konrad-Adenauer-Haus, der Zentrale einer nach Orientierung und einem gemeinsamen Kurs suchenden Partei, müssen die Alarmglocken schrillen. Beim Parteitag im Dezember stützte der Verein mit allergrößter Mehrheit den Kurs der Parteivorsitzenden und Bundeskanzlerin Merkel - er feierte sie. Ein wenig Widerrede, mehr nicht. Die CDU ringt nicht im offenen Streit - sie folgt. Dann im März setzten sich die Spitzenkandidaten bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz vom Merkel-Kurs ab - und gingen unter.

Nun Kohl. Der Patriarch. Als Kopf der Nicht-Merkel-CDU, die nun aufwacht aus der Betäubung des Schocks der jüngsten Wahlen. Es wird lauter werden in dieser Partei, die gerne leise bleibt und sich darüber belustigt, wie sich die SPD doch zerlege. Die CDU kann sich scharen um ihre Vorsitzende. Aber mehr ehrlicher Streit muss sein, wenn man die Menschen weiter mitnehmen will.

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