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Das Ende eines Goldjungen

Henrik Böhme14. November 2014

Der einstige Top-Manager Thomas Middelhoff ist wegen Untreue zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt worden. Das ist ein gerechtes Urteil - und wirft doch Fragen auf, meint Henrik Böhme.

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Deutschland Thomas Middelhoff im Landgericht Essen
Bild: picture-alliance/dpa/R. Vennenbernd

Was für ein Absturz! Seinen Platz in den Chroniken der deutschen Wirtschaftsgeschichte hat Thomas Middelhoff nun ein für allemal sicher. Freilich, es gab in den letzten Jahrzehnten das eine oder andere Aufsehen erregende Strafverfahren gegen Manager. Und auch die drei Jahre Haft, zu denen Middelhoff nun in erster Instanz verurteilt wurde, sichern ihm keinen Spitzenplatz in der Hitliste der bösen Wirtschaftsbuben. Es ist etwas anderes: Es ist der Glanz, der Middelhoff einst umgab. Ihn, den man den "Goldjungen des Turbo-Kapitalismus" nannte, der einst den Medienkonzern Bertelsmann aus der verstaubten Ecke in die multimediale Zukunft lenkte. Ihn, der angetreten war, den Karstadt-Mutterkonzern Arcandor zu retten.

Was ihm bei Bertelsmann gelang - er verdoppelte in den vier Jahren als Chef des Konzerns dessen Umsatz - ging bei Arcandor völlig in die Hose. Er traf Entscheidungen, die für das Unternehmen zur finanziellen Last wurden. Die Aktie stürzte in den vier Jahren seines Wirkens von zehn auf einen Euro ab. Im März 2009 nahm Middelhoff seinen Hut, freilich um ein paar Millionen reicher. Ein halbes Jahr später meldete Arcandor Insolvenz an.

Dabei hatte Middelhoff keine Kosten gescheut, den Laden irgendwie zu retten. Seine Anwälte beteuerten vor Gericht, ihr Mandant hätte rund um die Uhr gearbeitet, keine Minute sollte ungenutzt bleiben. Doch braucht es dafür über 600 Flüge mit Privatjets, gar bis nach New York, der allein die Firmenkasse um 90.000 Euro erleichterte? Nein: Hier hatte einer jedes Maß verloren.

Deutsche Welle Henrik Böhme Chefredaktion GLOBAL Wirtschaft
Bild: DW

In all seinem Tun hat sich der einstige Top-Manager offenbar in einem komplizierten finanziellen Geflecht verfangen, um auch seinen aufwändigen privaten Lebensstil pflegen zu können. Der jetzt zu Ende gegangene Prozess vor dem Landgericht in Essen ist ja nur einer von vielen, in denen Middelhoff entweder als Kläger oder Beklagter auftritt. Gläubiger fordern Geld von ihm zurück, das er aber nicht zahlen kann, weil eine Privatbank sein Vermögen blockiert.

Sein Anwesen im südfranzösischen Saint Tropez verließ er in den letzten Jahren nur noch, um in Deutschland auf Tournee durch die Gerichtssäle zu gehen. Die Geschichte einer wertvollen Armbanduhr, die unlängst bei einem der Termine von einem Gerichtsvollzieher gepfändet wurde, und bei dem Middelhoff nachher über Fenster und angrenzende Dächer aus dem Gebäude flüchtete - das war schon nicht mehr zum Lachen. Es war einfach nur noch lächerlich.

Sicher, Middelhoff ist kein Einzelfall: Vom Top-Management in den Knast, das haben andere vor ihm auch schon geschafft. Es ist nur so, dass Typen wie er das Negativ-Image des raffgierigen Managers weiter befeuern. Er hatte Macht und hat sie missbraucht. Er war vor allem ein großartiger Selbstdarsteller. Die Frage, die bleibt: Jedes Unternehmen hat ein Kontrollgremium. Was läuft da schief im System, wenn Aufsichtsräte sich von einem wie Middelhoff täuschen lassen?