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Kommentar Gauchos

Volker Wagener16. Juli 2014

In den Überschwang des Berliner Weltmeister-Empfangs schlich sich ein Regiefehler ein: Das Gaucho-Mobbing der Jogi-Jungs war dämlich. Die WM-Geschichte muss aber nicht umgeschrieben werden, findet Volker Wagener.

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Weltmeister Feier Berlin 15.07.2014
Bild: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images

Meine Güte, wie unnötig, überflüssig und dumm war das. Witze machen über die Argentinier, die Verlierer des Kampf-Finales - und das auf offener Bühne. Hatten wir nicht gestern an dieser Stelle den hässlichen Deutschen beerdigt? Waren wir nicht unumstritten die Gutmenschen von Brasilien - nett, entspannt, und geradezu fürsorglich im Umgang mit denen, die wir auf dem Platz in ihre Grenzen verwiesen hatten? Und dann diese gedankenlose Theatereinlage der DFB-Laien-Schauspieltruppe.

Kater nach dem Rausch, mehr nicht!

Um es kurz zu machen: Es ist ein Ärgernis und zwar ein gewaltiges. Gewaltig deshalb, weil der Pegelsprung von absoluter und berechtigter Begeisterung nach dem Rio-Coup mit der Gaucho-Einlage extrem ist. Die Sozialen Netzwerker haben wieder Futter und Medienmacher Stoff für Schlagzeilen. Die ewigen Nörgler kommen wieder aus der Deckung: "Siehste, ich habs‘ doch gesagt, wir überhöhen uns wieder über andere!" Allein schon deshalb ist die Darbietung vom Brandenburger Tor ein Grund für Depression bei den Zeitgenossen, denen daran gelegen ist, dass Deutschland nicht nur auf dem Platz gewinnt, sondern auch an Ansehen ganz allgemein. Und jetzt das!

Es ist der Kater nach dem Rausch. Die Frage ist: Ist dem Deutschen Fußballbund, der das gesamte WM-Projekt mit einer Perfektion geplant und umgesetzt hat die ihres gleichen sucht, auf den letzten Metern ein Regiefehler unterlaufen? Oder haben die angetrunkenen, übernächtigten und körperlich wie psychisch angeschlagenen Klose, Götze & Co den feinen Unterschied zwischen Klamauk und Beleidigung nicht mehr erkennen können?

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DW-Redakteur Volker WagenerBild: DW

Egal, sowohl die Organisatoren und schon gar die Spieler dürfen sich Fehler leisten. Entscheidend ist der Umgang damit. Mit etwas Abstand zu den gefühlsduseligen Stunden von Berlin bleibt am Ende nicht mehr als das berühmte Haar in der Suppe. Nicht schön, aber auch nicht schlimm.

Der ewige Gutmensch in uns

Fußball ist kein Oberseminar und Fußballspieler sind keine Philosophen. Wer im gespielten gebeugten Gaucho-Gang und im Hand-auf-die Schulter-des Vordermanns-Gag der Deutschen mehr zu sehen glaubt, als puren Übermut von jungen Männern, die nach zwei Monaten Vorbereitung und Turnier emotional den freien Fall erleben, der zählt zur notorischen Gutmenschen-Fraktion in diesem Land. Übrigens: Uwe Seeler ging nach der unglücklichen Final-Niederlage der Deutschen 1966 gegen England mindestens genauso gebeugt vom Platz, wie das gestern den Argentiniern unterstellt wurde.

Nachspiel in Düsseldorf?

Wie der Zufall es will, treffen sich deutsche und argentinische WM-Kicker schon im September wieder. Und zwar in Düsseldorf zu einem Freundschaftsspiel. Dort sollten die Weltmeister als Gastgeber den Argentiniern die Hand reichen. So, wie man das außerhalb des großen Protokolls macht: Schulterklopfen, Umarmen und ein "war nicht so gemeint" hinterher rufen. Es ist ja nicht wirklich was passiert!