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Das Volk als letzte Hoffnung

Spiros Moskovou15. Mai 2012

In Athen ist die Regierungbildung endgültig gescheitert. Nach dem Versagen der Parteien kann bei den vorgezogenen Wahlen im Juni nur noch das Volk den weiteren Absturz des Landes verhindern, meint Spiros Moskovou.

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Kommentar Deutsch

Das geschundene Volk der Griechen muss sich noch einmal in Sachen Demokratie üben, weil sich die politische Elite schon wieder nicht einig ist, über eine realistische und gemeinsam tragbare Politik zur Überwindung der Krise. Der finanzielle Bankrott Griechenlands vor zweieinhalb Jahren hat den Bankrott des politischen Systems für alle sichtbar gemacht. Die zwei ehemaligen großen Volksparteien, die konservative Nea Dimokratia von Antonis Samaras und die sozialistische PASOK von Evangelos Venizelos, die Griechenland runtergewirtschaftet haben, mussten bei den Wahlen vom 6. Mai herbe Verluste einstecken. Jetzt wären sie bereit zu koalieren, um das Land zu retten. Jetzt aber haben sie im Parlament keine Mehrheit mehr. Bei den Verhandlungen der letzten Tage im Präsidialamt waren die ehemaligen Großen die Einsichtigsten.

Die Wutwähler haben gleichzeitig die kleineren Parteien gestärkt, auf die nun als Mehrheitsbeschaffer eine Schlüsselrolle bei den Koalitionssondierungen zukam. Die rechte Bewegung "Unabhängige Griechen" von Panos Kammeno und vor allem die radikale Linke des Populisten Alexis Tsipras, inzwischen die zweitstärkste politische Kraft. Diese Parteien betreten noch undomestiziert die politische Bühne und verblendet vom ungewohnten Rampenlicht versprechen sie die Kündigung aller Verträge mit den Partnern Griechenlands, verbreiten die Illusion, dass auch ohne Sparpolitik und Strukturreformen der Verbleib in der Eurozone möglich ist. Und es sind diese erstarkenden Parteien, die die Bildung einer Koalitionsregierung mit einer Reihe von Maximalforderungen verhindert haben.

Porträt von DW-Griechenlandexperte Spiros Moskovou (Foto DW/Per Henriksen)
Spiros Moskovou ist Leiter der Griechischen Redaktion der DWBild: DW

Gerade in dem Moment, wo Brüssel moderatere Signale Richtung Athen sendet und eine bessere Abfederung der Sparmaßnahmen in Aussicht stellt, macht das Scheitern der Verhandlungen in Athen die Situation komplizierter. Wohin steuert Griechenland? Den letzten Umfragen zufolge würde bei einem erneuten Wahlgang die radikale Linke von Tsipras neue Gewinne verzeichnen und eventuell auch als stärkste Partei hervortreten. Wenn man bedenkt, dass das griechische Wahlsystem die stärkste Partei mit 50 Sitzen prämiert, dann gleicht diese Aussicht einem richtigen Menetekel. Dann hätte vielleicht ab Juli die Eurozone mit einer linken Koalitionsregierung in Athen zu tun, die den internationalen abgesteckten Rahmen zur Rettung Griechenlands sprengt.

Die einzige Hoffnung ist, dass diesmal und angesichts der Unregierbarkeit des Landes die Wahlbeteiligung höher sein wird und die Griechen erwachsener reagieren als ihre Parteien. Indem sie nämlich, nach der ersten Quittung, die sie am 6. Mai ausgestellt haben, nun die Parteien wieder stärken, die die bittere Wahrheit auch verkünden: dass der ersehnte Verbleib im Euroraum und die Sparpolitik die zwei Seiten derselben Medaille sind.