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Kommentar: Der deutsche Papst ist in Polen leise geblieben

Carola Hoßfeld29. Mai 2006

Benedikt XVI. war vier Tage lang auf Auslandsreise in Polen. Es war eine fromme Pilgerfahrt mit symbolträchtigen Gesten. Spektakuläre Äußerungen sind aber ausgeblieben - meint Carola Hoßfeld.

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Bild: AP

Die Polen-Reise Benedikts XVI. soll bereits festgestanden haben, kurz nachdem er im vergangenen Jahr zum Papst gewählt worden war. Er hat sie unternommen zu Ehren seines Vorgängers. Doch nicht nur deshalb führte ihn seine erste Auslandsreise, die er selbst festgelegt hat, nach Polen: Politisch gilt sein Interesse primär Europa.

Das säkilare Europa retten

In vielen Reden und Schriften hat der Papst den Relativismus und Liberalismus des Westens beklagt. Er ist gegen die verbreitete Form von Toleranz in der Gesellschaft, die dem Glauben zunehmend gleichgültig gegenübersteht. Den aktuellen Trend in Westeuropa, Religion in die Privatsphäre abzudrängen, bewertet er als verhängnisvoll für den Kontinent. Der deutsche Papst möchte wie sein Vorgänger das säkularisierte Europa für das Christentum retten. So führen ihn seine Auslandsreisen in diesem Jahr nach Spanien, in die Türkei, nach Bayern - und eben jetzt nach Polen.

Es war in erster Linie eine fromme Pilgerreise ohne spektakuläre politische Signalwirkung. Benedikt XVI., über 20 Jahre getreuer Wegbegleiter des Papstes aus Polen, wandelte vier Tage auf den Spuren seines Vorgängers. Er besuchte Orte, die dem polnischen Pontifex wichtig gewesen sind: mehrere Wallfahrtsorte, unter anderem das Marienheiligtum in Tschenstochau, dem größten Wallfahrtsort in Mitteleuropa, und die Stadt Wadowice, wo heute täglich Touristen vor dem Geburtshaus Karol Wojtylas Schlange stehen. Erwartungsgemäß bereiteten ihm die Polen, die ihn allein schon wegen seiner engen Verbundenheit mit Johannes Paul II. schätzen, überall einen begeisterten Empfang. Die Polen-Reise geriet zum Triumphzug.

Höhepunkt der Reise

Auch der Besuch in Auschwitz folgte der Pilgerlinie: Hier hatte auch der Vorgänger bei seiner ersten Heimatreise als Papst im Jahr 1979 gebetet. Benedikt hatte Auschwitz zuvor bereits zwei Mal besucht. Doch "nur" als Kardinal, nicht als Papst, der hinzu noch aus Deutschland kommt. Daher war der Besuch in Auschwitz der Höhepunkt der Reise. Allein schon aus dramaturgischen Gründen. Der Besuch eines deutschen Papstes im größten Vernichtungslager der Nationalsozialisten wurde bereits im Vorfeld als symbolträchtige Geste eingestuft.

Auschwitz steht für die Judenverfolgung, für den Holocaust schlechthin. Über eine Million Menschen brachten die Nationalsozialisten hier um. Wie Vieh wurden sie ins Gas getrieben, überwiegend Juden. Benedikt XVI. betete für die Toten und sprach mit Überlebenden. Am Ort der industriellen Massenvernichtung, in Auschwitz-Birkenau, zelebrierte er eine Andacht, die in ihrer Form sowohl für Christen als auch für Juden akzeptabel war.

Spektakuläre Äußerungen blieben bei diesem Besuch in Auschwitz aus. Sein Vorgänger, so sagte Benedikt XVI., habe bei seinem Polen-Besuch 1979 einfach nach Auschwitz kommen müssen. Johannes Paul II. sei Sohn des polnischen Volkes gewesen. Er selbst sei Sohn des deutschen Volkes: Deswegen habe auch er nach Auschwitz kommen müssen.

Nichts gesagt

Konkrete Forderungen zur Verbesserung des deutsch-polnischen Verhältnissen blieb der Papst nicht nur in Auschwitz, sondern während seiner gesamten Polen-Reise schuldig. Auch zum Verhältnis von Christentum und Judentum sagte Benedikt nichts, was über bislang Erreichtes im interreligiösen Dialog hinausgehen könnte.

Sein Pontifikat ist eines der leisen Töne. Er ist ein Intellektueller auf dem Stuhl Petri. Möglicherweise bewegt er während seiner Amtszeit mehr hinter den Kulissen als vor den Fernsehkameras. Das könnte sich auch mit Blick auf den Dialog mit dem Islam nur positiv auswirken. Da heißt es abwarten, auch wenn der deutsche Papst schon ein Jahr im Amt ist.