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Wachsender Reformdruck

Karl Zawadzky21. Oktober 2007

China, Indien und Russland verlangen einen größeren Einfluss im Internationalen Währungsfonds und in der Weltbank - und das völlig zurecht, meint Karl Zawadzky in seinem Kommentar.

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Bild: DW
Karl Zawadzky

Das weltweite Wirtschaftswachstum wird in diesem Jahr zu mehr als der Hälfte von nur drei Ländern erzeugt: China, Indien und Russland. Während die traditionellen Industriestaaten wirtschaftlich nur noch vergleichsweise moderat wachsen, werden die so genannten Schwellenländer in der Weltwirtschaft immer wichtiger. China legt bei seiner Wirtschaftsleistung Jahr für Jahr um zehn Prozent und mehr zu, Indien und Russland knapp unter zehn Prozent.

Wachsendes Selbstbewusstsein

Mit diesen traumhaften Wachstumsraten und noch höheren Exportzunahmen erwirtschaften sie gigantische Überschüsse in ihren Handelsbilanzen und türmen noch gigantischere Devisenreserven auf. Zum Beispiel hat China die weltweit höchsten Devisenreserven von 1400 Milliarden Dollar auf der hohen Kante liegen, Russland 500 Milliarden Dollar. Das stärkt nicht nur die wirtschaftliche Bedeutung dieser Länder, sondern auch das Selbstbewusstsein der politischen Führungen enorm.

Kein Wunder, dass sich die großen Schwellenländer in den multilateralen Organisationen nicht mehr mit Plätzen in der zweiten und dritten Reihe begnügen. Zu beobachten ist das ganz deutlich beim Internationalen Währungsfonds und der Weltbank, die an diesem Wochenende in Washington ihre Jahrestagung abhalten. Immer noch werden diese wichtigen Finanz- und Entwicklungsorganisationen von den traditionellen Industriestaaten beherrscht.

Unzureichende Zugeständnisse

Wenn es zum Beispiel um Führungsposten geht, machen das die Amerikaner und Europäer unter sich aus. So haben die USA vor einigen Monaten für ihren früheren US-Handelsrepräsentanten Robert Zeollick den Chefposten bei der Weltbank erhalten und die Europäer für den früheren französischen Finanzminister Dominique Strauss-Kahn das entsprechende Amt beim Internationalen Währungsfonds.

Um so mehr drängen jetzt die Schwellenländer und in deren Gefolge auch die ärmeren Entwicklungsländer auf höhere Anteile und mehr Einfluss bei diesen Organisationen. Erste minimale Zugeständnisse im vergangenen Jahr haben die am meisten unterrepräsentierten Staaten China, Mexiko, Süd-Korea und die Türkei zwar gerne entgegen genommen, aber als längst nicht ausreichend bewertet. Recht haben sie. Und vor allem haben diese und andere Staaten auch die finanziellen Mittel sowie den politischen Willen, ihre Ansprüche durchsetzen zu können.

Konkurrenz für Weltbank und IWF

Gerade erst haben unter Führung des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez sieben südamerikanische Staaten eine “Bank des Südens” als Konkurrenz zur Weltbank gegründet, gerade hat der brasilianische Präsident Lula die Gründung eines Konkurrenzinstituts zum Internationalen Währungsfonds angeregt. Vor dem Hintergrund gigantischer Währungsreserven in der Dritten Welt sind das keine leeren Drohungen. Im Gegenteil: Mit ihrem Geld machen große Schwellenländer der Weltbank und dem Währungsfonds längst Konkurrenz. In dem Masse, in dem Entwicklungs- und Schwellenländer ihre Schulden beim Währungsfonds und der Weltbank tilgen, können sie auch deren Einfluss zurückweisen.

Keine Alternative

Das heißt: Der Internationale Währungsfonds und die Weltbank – einstmals schier übermächtige und arrogant auftretende Kreditgeber und Ratgeber der Dritten Welt - sind unverhofft in eine Situation geraten, in der sie ihre Existenzberechtigung nachweisen müssen. Von einer zunehmenden Zahl an Ländern, vor allem von den großen Schwellenländern, wird ihr Geld nicht mehr benötigt und ihr Rat abgelehnt. Und noch fataler: Devisenreiche Schwellenländer, China vorneweg, machen ihnen mit großen Investitionen in die Rohstoffförderung in armen Entwicklungsländern Konkurrenz. Schon befindet sich der Währungsfonds in finanziellen Problemen und sieht sich zu Budgetkürzungen gezwungen.

Es geht kein Weg daran vorbei: Wenn die Industriestaaten im eigenen Interesse und im Interesse der ärmeren Entwicklungsländer den Währungsfonds und die Weltbank erhalten wollen, müssen in eine Reform einwilligen, die über weiter sinkende Kapitalanteile ihre Macht beschneidet und den Einfluss großer Schwellenländer stärkt. Im Prinzip sind die Industriestaaten dazu bereit. Doch es wird noch harte und langwierige Auseinandersetzungen geben, bis die neue Architektur beim Währungsfonds und der Weltbank steht.